Öffentlicher Raum mit Menschen: Brüsseler Platz im Belgischen Viertel

Bickendorf statt Ballermann

Ein neuer Bebauungsplan soll das Belgische Viertel beruhigen. Die Kritik ist massiv

Bürger­dialoge, Räum­kommandos von Ordnungs­amt und AWB, Klagen bis vors Ober­verwaltungs­gericht. Seit mehr als zehn Jahren tobt ein Streit um den Brüsseler Platz. Anwohner fühlen sich von Menschen, die sich dort bis spät in die Nacht aufhalten, in ihrer Nacht­ruhe gestört. Die Stadt konnte den Konflikt bislang nicht schlichten.

Nun will die Politik zu einem weiteren Werk­zeug greifen: In der März-Sitzung des Stadt­rats (nach Redaktions­schluss) wird das neue Bündnis aus Grünen, CDU und Volt voraus­sicht­lich einen neuen Bebauungs­plan für einen Teil des Belgischen Viertels beschließen. Der soll helfen, den Bereich zwischen Moltke­straße und Brabanter Straße zu beruhigen. Die Gastro-Meile an der Aachener Straße ist nicht eingeschlossen. Die Pläne sollen eine »städte­bauliche Fehl­entwicklung« verhindern, die die »Erhaltung und Fort­entwicklung der Wohn­nutzung beein­trächtigt«. Unter anderem sollen künftig weder Disco­theken noch Kioske neu genehmigt werden. »Wir wollen die charmante Mischung im Viertel erhalten: Einzel­handel, Büro­standorte im ersten Ober­geschoss, darüber Wohnen — und eine lebendige Gastro­nomie- und Ausgeh­szene«, sagt Sabine Pakulat von den Grünen. Die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses erklärt, dass bestehende Lokale fast ausnahmslos Bestands­schutz haben. Schank- und Speise­wirt­schaften dürften auch umgebaut oder verkauft werden.

Das Verfahren für einen Bebauungs­plan läuft bereits seit knapp fünf Jahren. Seit 2017 gilt im Belgischen Viertel eine sogenannte Veränderungs­sperre, die einen grund­legenden Eingriff in den Bestand unter­sagt. Laut Verwaltung läuft die Sperre im März endgültig aus. Um eine neuerliche Offen­lage der Pläne und damit verbundene Verzögerungen zu verhindern, soll schnell ein Beschluss her.

Doch innerhalb einer Woche unter­schrieben mehr als 8.000 Menschen eine Petition gegen die Pläne. Zudem schlossen sich Mitte März Anwohner, Einzel­händler und Gastro­nomen zur IG Belgisches Viertel zusammen. »Die Dringlich­keit ist vorgeschoben«, sagt Tobias Mintert, der die Barra­cuda Bar und das Forelle Blau betreibt. Mintert hält eine weitere Verlängerung der Veränderungs­sperre rechtlich für möglich — und sinnvoll. Die jetzigen Pläne verfehlten ihr Ziel und sorgten statt­dessen dafür, dass sich das Viertel künftig nicht mehr kreativ entwickeln könne. Zudem sieht Mintert die Gastro­nomie diskriminiert: »Es wird suggeriert, dass wir das Problem sind. Dabei sind wir Teil der Lösung!« Es werde ein Konflikt zwischen Anwohnern und Gastronomie herauf­beschworen, den es im Veedel gar nicht gebe. »Kein Gastronom ist an einer Baller­manni­sierung interessiert.« Einigen Bewohnern, glaubt Mintert, scheine es aber um eine »Bicken­dorfi­sierung« des Belgischen Viertels zu gehen.