»Eine echte Großstadt hat einen Lakritzladen« — Köln hat nun zwei

Manchmal schmeckt's nach Wald

Zwei Jahre gab es in Köln kein Fachgeschäft für Lakritz mehr. Nun bedienen gleich zwei neue Läden das Revival

Olaf Dormann steckte im vergangenen Sommer gerade in den Renovierungsarbeiten seines Ladenlokals, als ein Passant für ungewöhnliche Aufmunterung sorgte: »Der guckte durchs Fenster und sagte: ›Eine echte Großstadt erkennt man daran, dass sie einen Lakritzladen hat.‹« Dormann schrieb den Satz über seinen Businessplan. Ende September eröffnete er in der Nordstadt das »Kuletsch«. Anfang des Jahres folgte ein weiteres Lakritzgeschäft, die »Schwarze Liebe« in Ehrenfeld. Köln ist zurück auf der Lakritz-Landkarte.

Olaf Dormann hat in den vergangenen Monaten in seinem Laden nahe der der Eigelsteintorburg viele erleichterte Gesichter gesehen: »Menschen, die gern Lakritz essen, sind richtig happy, dass sie wieder eine Anlaufstelle haben.« Lakritzer nennt er die Liebhaber des tiefschwarzen Süßholz-Erzeugnisses, das in Köln eine lange Geschichte hat. Franz Coblenzer gründete 1844 in Nippes die erste Lakritzfabrik Deutschlands. In den vergangenen beiden Jahrzehnten war es vor allem die »Bärendreck-Apotheke«, die Köln versorgte. Doch 2019 schloss das Geschäft an der Richard-Wagner-Straße in der Innenstadt.

Lakritz erlebt nun einen Boom. »Es sind neue Sorten, Kreationen und Rezepte populär geworden«, erzählt Dormann. »Vor allem die Skandinavier sind unschlagbar kreativ.« 400 Lakritzprodukte werden im Kuletsch, benannt nach dem kölschen Wort für Lakritz, verkauft. Neben 140 verschiedenen Bonbons als lose Ware in Gläschen auch Chips, Salz, Marmelade, Bier, Schnaps, Cola oder Schokolade — es gibt fast nichts, was es nicht im Duett mit Lakritz gibt.

In Deutschland verbindet man aber Lakritz meist mit konfektionierten Süßigkeiten. »Viele definieren ihren Geschmack über Schnecken und Brezeln von Haribo oder das Katjes-Pfötchen«, sagt Dormann. Für ihn ist das ein Ausgangspunkt, damit Kunden Lakritz besser kennenlernen: »Lakritz hat kulinarisch mehr zu bieten, vor allem Spannenderes.« Der Rohstoff für Lakritz ist Süßholz, das in mediterranen Gebieten wächst, vor allem in Kalabrien, dem Iran, Russland und Indien, mittlerweile auch in China. Von dort wird der Rohstoff importiert. Viele Lakritzer sind Puristen: »Rohlakritz hat eine Fangemeinde«, erzählt Dormann. Verarbeitetes Lakritz gibt es vor allem in den Geschmackrichtungen süß und salzig. Je nach Rezeptur mit unterschiedlichen aromatischen Nuancen. Bei süßem Lakritz gebe es auch vollmundig-herzhafte Alternativen, bei salzigem Lakritz etliche geschmackliche Noten. In Verbindung mit Lakritz ist vor Salmiak bekannt, ein Mineral. Eine weitere Unterscheidung liegt in der Konsistenz: weiches Lakritz zum Kauen, hartes Lakritz zum Lutschen. Immer mehr Hersteller haben sich in an neuen Rezepturen probiert. »Aus Skandinavien kommt gerade viel Chili-Lakritz, die Dänen machen viel mit Schokolade«, sagt Dormann. Zudem werden vegane, zucker- und laktosefreie Lakritze immer beliebter.

Auch Stephan Erdmann verfolgt den internationalen Lakritzmarkt. Im Januar eröffnete er die »Schwarze Liebe« an der Venloer Straße in Ehrenfeld. In den Regalen stehen Lakritzschnaps aus Island und Lakritzbonbons mit Fichtenzapfen-Aroma. »Die schmecken nach Wald«, sagt Erdmann. Auch eine Zahnpasta hat er in der Auslage. Sie erinnert an die Ursprünge von Lakritz: Einst wurde Süßholz aufgrund antibakteriellen Wirkung seines Inhaltsstoffes Glycerin zur Zahnpflege gekaut. Der gelernte Erzieher hat eine Gemeinsamkeit mit vielen seiner Kunden. »Lakritzesser gibt es in allen Generationen, und die meisten sind schon als Kind mit Lakritz in Kontakt gekommen«, erzählt Erdmann. Vor allem in Norddeutschland war Lakritz aus vielen Haushalten nicht wegzudenken. Süßwarengiganten wie Katjes sprechen vom »Lakritzäquator«, denn nördlich der Mainlinie machen sie den weit überwiegenden Teil ihres Umsatzes in Deutschland. Dort sind mittlerweile viele Fachgeschäfte entstanden, das bekannteste ist das »Kadó« in Berlin. Auch Hersteller kommen längst wieder  aus Deutschland. »International aber ist Holland die erste Adresse«, berichtet Erdmann.

Lakritz ist mehr als eine Süßigkeit. »Es wird immer öfter beim Kochen eingesetzt«, sagt Erdmann. Lakritzpulver werde als Gewürz genutzt, etwa in Panaden. Auch Olaf Dormann vom Kuletsch hat immer häufiger Kunden, die Lakritzprodukte in der Küche einsetzen — nicht nur für Kuchen, Baisers oder Macarons. »Lakritz gibt feine geschmackliche Nuancen, die für die herzhafte Küche sehr interessant sein können«, sagt Olaf Dormann. Lakritz zu Wild oder Fisch? Eine geriebene Lakritzstange im Salat oder in einer Aioli? »Man muss da mutig sein«, sagt Dormann. Und immer mehr seiner Kunden packt der Lakritz-Mut.

»Köln ist groß genug für zwei Lakritzläden«, findet Stephan Erdmann von der Schwarzen Liebe. Man könnte es auch anders sagen: Zwei sind besser als keiner.

Kuletsch

Thürmchenswall 4
50668 Köln (Eigelstein)

Schwarze Liebe

Venloer Straße 440
50825 Köln (Ehrenfeld)