Sonne, Tisch und Sterne

Gastronomie-Kritik in der Corona-Pandemie? Ja, unbedingt!

Es sind harte Zeiten für die Gastronomie. Ob Restaurants je wieder »wie früher« sein werden, ist kaum zu beantworten. Fachleute reden schon vom »pandemischen Zeitalter«. Nun besteht aber Hoffnung, dass zumindest die Terrassen bald öffnen. Prompt ergeben sich neue Fragen: Was ist mit Lokalen, die keine Terrassen haben? Und diktiert die immer noch grassierende Seuche dann die Atmosphäre? Überhaupt: Gehört zur Gastronomie nicht ein Gastraum? Einrichtung, Dekor, Musik?

Das betrifft vor allem die Hochküche. Es ist eine althergebrachte und gut nachvollziehbare Übereinkunft, höchste Kochkunst nicht unter freiem Himmel zu servieren; auch ohne Sommerhitze. Dennoch hat nun, wie jedes Jahr, der Guide Michelin seine Auszeichnungen für die besten deutschen Restaurants verliehen. Diese Sterne sind, trotz aller Kritik, die es naturgemäß an solchen Entscheidungen gibt, als Nobelpreise für kulinarische Grundlagenforschung anerkannt. Umso erfreulicher für Köln, dass auch nach einem Jahr Corona die Ausbeute noch einmal größer ausfällt.

Ox & Klee und Le Moissonnier sind weiter mit zwei Sternen notiert, neun weitere Adressen führen einen Stern. Darunter mit Pottkind in der Südstadt und La Cuisine Rademacher im schönen Dellbrück zwei Neuzugänge.

Dennoch hat dieser gastronomische Weiheakt etwas Irritierendes: Eine Hochstufung wird niemanden stören, wie aber ist es, wenn Restaurants heruntergestuft werden? Geht das im Corona-Jahr? Ist es nicht das Gebot der Stunde, dass die Gastronomiekritik hier Gnade walten lasse? Das ist freundlich gedacht, und doch falsch. Überall geht es mittlerweile um Daumen hoch oder runter: Waren, Meinungen, Lebensstile. Daran haben wir uns gewöhnt. Wenn Gastronomiekritik ihre Kriterien offenlegt, ist an ihr nichts verwerflich. Auch während Corona werden Rucksäcke, Laptops, Kinderbücher gefeiert oder verdammt, oft frei von Expertise. Auch hinter diesen Waren und Dienstleistungen stehen Menschen. Ja, Kritik muss fair sein, aber per se auch streng. Weite Teile der Gastronomiekritik aber, vor allem im mittleren Segment, sind voller Gefälligkeitsrezensionen. Auch unberechtigtes Lob kann schaden — den Gästen, die darauf vertrauen, dass kulina­rische Kritik informiert und unabhängig stattfindet.