Die Rollen sind etwas altmodisch verteilt

»Der Spion« von Dominic Cookes

Dominic Cookes Thriller spielt in der heißesten Phase des Kalten Kriegs

Während John F. Kennedy am 22. Oktober 1962 die Weltöffentlichkeit darüber in Kenntnis setzte, dass die Sowjetunion Raketen auf Kuba stationiert hatte, nahm der KGB in Moskau zwei Männer fest. Sie waren dafür verantwortlich, dass entsprechende Informationen überhaupt erst in den Westen gelangen konnten: Der britische Geschäftsmann Greville Wynne, in »Der Spion« verkörpert von Benedict Cumberbatch und vom MI6 wegen seiner regelmäßigen Reisen in den Ostblock angeheuert, um als unauffälliger Kurier zu agieren. Und sein Kontaktmann, der sowjetische Oberst Oleg Penkowski (Merab Ninidze).

Es ist eine wahre Geschichte, wie geschaffen dafür, von der heißesten Phase des Kalten Kriegs aus einer persönlichen Perspektive zu erzählen. Und »Der Spion« sieht ganz so aus, wie man es von einem englischen Historienthriller erwartet: Holzvertäfelte Räume im Halbdunkel, rauchende und Whisky trinkende Männer mit Krawatte und Trilby, Kennedy-Reden im Fernsehen. Tür- und Fensterrahmen, Spiegel, Türspione, später auch Gitterstäbe fragmentieren die Bilder, geben den exquisit designten Innenräumen eine regelrecht stickige Atmosphäre. Regisseur Dominic Cooke kommt ursprünglich aus dem Theater. »Der Spion« ist sein zweiter Spielfilm. Vor seinem Debüt »Am Strand« feierte er Erfolge mit der Royal Shakespeare Company und dem Royal Court Theatre. So verwundert es nicht, dass das Finale seines Films sich radikal vom zuvor dominierenden Ausstattungskino abgrenzt. Wie auf einer Bühne schlucken da die Schatten alle räumlichen Details, nur noch Cumberbatch und Ninidze sitzen einander in einem kalten Lichtkegel gegenüber. Bei aller historischen Tragweite erzählt »Der Spion« im Kern auch von einer Männerfreundschaft, die in einem unfreien, von ständigen Machtkämpfen aufgeriebenen System keine reale Chance hat. Doch während der Plot und die historische Vorlage den Ost-West-Konflikt meinen, findet der Film seine viel unmittelbareren Feindbilder an anderer, zuweilen irritierender Stelle: Während er in seinen Protagonisten vor allem die furchtlosen Helden sehen will, baut Cooke von Anfang an die heimischen Sphären als Kontrast auf, als ernstzunehmende Gefahr für den männlichen Idealismus: Wynnes Ehefrau (in ihrer formelhaften Nebenrolle verschenkt: Jessie Buckley) verdächtigt ihren zunehmenden dünnhäutigen Mann einer Affäre — und Penkowskis Achillesferse ist dessen Familie. Den ansonsten exzellent gespielten und auf Hochglanz polierten Film überzieht das mit einer unerwartet altmodischen Patina.

(Ironbark) GB 2020, R: Dominic Cooke, D: Benedict Cumberbatch, Merab Ninidze, Jessie Buckley, 111 Min.