Eigenes Profil: Kunstpause im Grünen, Foto: Marie Luise Syring

Das Kliege-Universum

Die famosen Bücher des Bildhauers, Filmemachers und Autors Wolfgang Kliege

»Der Krebs sagt: ›Ich haue ab‹«, so heißt dieses mit Kinderzeichnungen bebilderte Künstlerbuch. Dabei protokolliert die Publikation tatsächlich jenes allenthalben be- und entfremdende Thema Corona. Meist ironisch, manchmal zornig reflektierend wendet sich der Bildhauer und Filmemacher Wolfgang Kliege mit seiner voluminösen Lektüre natürlich nicht an Kinder. Es handelt sich um den achten Band seiner jeweils rund 400 Seiten umfassenden Bücher, die seit 2009 in mehr oder weniegr regelmäßigen Abständen und in verschiedenen Mixturen aus zeitgeschichtlicher und autobiografischer Reflexion erschienen. Dabei unterscheidet sich jedes Buch inhaltlich-formal komplett von den anderen.

Wolfgang Kliege, 1939 in Altena geboren, ist ein Protagonist der Düsseldorfer Kunstszene — nicht zuletzt in den ereignisreichen Jahren mit Joseph Beuys dort — und lebt heute unweit auf dem Lande. Seine Kunst ist vom Minimalismus und, im Einsatz von bescheidenen Materialien, von der Arte Povera geprägt. In den acht Bänden dokumentiert er ein gutes Stück Zeit-und Kunstgeschichte, und dies stets mit einem ordentlichen Schuss Anarchie und Humor. Die Erzählungen im ersten Band »Schürfstelle« (2009) mit Abbildungen eigener Werke handeln oft von Natur, aber auch mal von der Glaubwürdigkeit der linkspolitischen Haltung seines Künstlerkollegen Beuys. Ausschließlich Dialoge zwischen fiktiven Protagonisten über Reisen oder Mythen des medialen Alltags gibt es in »ich bleibe hier« (Bd. 4, 2014) zu lesen. Das »Asymmetrische Tagebuch« (2015) reflektiert, ganz dem Titel getreu, den politischen Alltag eher assoziativ denn zeitlich linear, während sich Kliege in dem schlicht »Katalog« betitelten sechsten Band (2016) exklusiv mit der eigenen Kunst befasst.

2017 erscheint dann »hinter dem Vorhang ist draußen«. Dort geht es um die fiktionale und von bissigen Anmerkungen zum Anthropozän angereicherte Wanderung zweier Frauen durchs römische Reich, bei der diese zu Emanzipation und Aufklärung finden. Im sechsten Band »Auf Anfang. Wolfgang Kliege, 2019« denkt der Künstler über den deutschen Herbst nach oder darüber, dass sich der erweiterte Kunstbegriff dermaßen ausgedehnt habe. Ausschließlich um Familie und Freunde hingegen dreht sich der Band aus dem Jahr 2020.

Mit seinem aktuellen »Corona-Tagebuch« kommentiert er nun tagespolitische Ereignisse in unserer pandemischen Welt auf Kliege-Art: literarisch, persönlich und ziemlich schräg.

Wolfgang Kliege: »Der Krebs sagt: ›Ich haue ab‹. Corona-Tagebuch 2020«, Edition Virgines, Düsseldorf 2021, 407 Seiten, 28 Euro.