Blick in Richtung Tanzfläche: Maastrichter Straße im Belgischen Viertel

Streit um die Hausaufgaben

Zweiter Versuch: Im Mai soll der Rat über einen Bebauungsplan im Belgischen Viertel entscheiden

Für Andreas Hupke ist klar, in welchem Rahmen er die Debatte um den neuen Bebauungsplan im Belgischen Viertels am liebsten geführt hätte: »Ein Abend in der Kirche St. Michael — die Hütte wäre voll gewesen und wir hätten sachlich diskutiert.« Weil Corona das nicht zulässt, verteilte der grüne Bezirksbürgermeister für die Innenstadt Karten, auf denen Anwohner sich zum Bebauungsplan äußern können. Hupke befürwortet die Pläne für den Bereich zwischen Moltke­straße und Brabanter Straße. Es geht darum, den Status Quo festzuschreiben. Wohnraum soll geschützt werden, neue Kioske und Gastronomie sollen sich künftig nicht mehr ansiedeln dürfen. Bestehende Gastro­nomie hat weitestgehend Be­­standsschutz, auch bei Betreiberwechseln.

Der Bebauungsplan ist ein weiterer Versuch, das Belgische Viertel zu beruhigen, vor allem am Brüsseler Platz. Seit mehr als zehn Jahren fühlen sich dort Anwohner durch Menschenansammlungen in ihrer Nachtruhe gestört. Die Stadt muss sich deshalb als Beklagte vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verantworten.

Doch gegen den Bebauungsplan gibt es Widerstand. 8000 Menschen unterzeichneten eine Petition, zudem gründete sich die IG Belgisches Viertel, die gegen die Pläne mobilisiert. Man fürchtet, dass das kreative Potenzial des Veedels lahmgelegt werde. Gastronomen fühlen sich stigmatisiert als Verursacher des Problems.

Dass überhaupt noch diskutiert wird, liegt an der Partei Volt: Der Neuling im Stadtrat, der mit Grünen und CDU das Mehrheitsbündnis bildet, meldete in der Ratssitzung im März Beratungsbedarf an. Die Entscheidung wurde vertagt. »Wenn sich so viele Menschen dafür mobilisieren, sollte man das nicht ignorieren«, sagt Isabella Venturini von Volt. Man sehe Klärungsbedarf bei der Ausgestaltung, sei aber nicht aus Prinzip gegen den Bebauungsplan. Vielmehr wolle man Akzeptanz für eine Entscheidung erhöhen, sagt Venturini. »Es herrscht viel gefährliches Halbwissen über das Verfahren, zugleich wird die Debatte sehr emotional geführt.« Anfang Mai steht das Thema wieder auf der Tagesordnung im Rat, bis dahin will Volt den Dialog mit allen Beteiligten suchen. Dass im Mai eine Mehrheit für den Bebauungsplan stimmt, ist nicht sicher. Auch einige Grüne im Rat sind unentschlossen. Neben der CDU sind FDP und Linke eher dafür, die SPD ist dagegen.

»Wer sagt, er sei für ein buntes Viertel und deshalb gegen den Bebauungsplan, versteht dessen Ziel nicht«, sagt Bezirksbürgermeister Hupke. Ohne eine Regulierung sei das Viertel »den ungebändigten Kräften des freien Marktes ausgesetzt«. Er verweist auf die Zülpicher Straße, »eine Monokultur aus Fastfood, Kiosken und Cocktailbars. Da ist die Politik zehn Jahre zu spät gekommen.« Zudem erinnert Hupke an den offenen Rechtsstreit, dessen Ursprung bis ins Jahr 2008 zurückgeht: »Die Gerichte haben der Stadt Hausaufgaben aufgegeben. Ein Teil der Hausaufgaben war der Bebauungsplan.«