Nicht immer Freund und Helfer: Mobiliar im Polizeipräsidium

Aus allen Bereichen

Bei der Kölner Polizei gibt es mittlerweile 21 Fälle von Rechtsextremismus

Es war ein Fall, der bundesweit Schlagzeilen machte. Als im vergangenen Oktober vor dem Hauptbahnhof eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Jahrestags des antisemitischen Anschlags von Halle stattfand, war auch ein Zivilpolizist vor Ort. Seine Kleidung: ein Sweatshirt von »Thor Steinar«, einer Marke, die als Erkennungszeichen von Neonazis bekannt ist.

Der Vorfall gehört zu den 21 Fällen von Rechtsextremismus bei der Polizei Köln zwischen Januar 2017 und Dezember 2020. NRW- Innenminister Herbert Reul (CDU) gab dies Anfang März im Landtag bekannt. »Die Fälle reichen von rassistischen Beleidigungsdelikten bis zu antisemitischen Postings, die wir auf dem Handy eines Beamten gefunden haben«, sagt Carsten ­Möllers, Extremismusbeauftragter der Polizei Köln. Gegen die Beamt*in­nen laufen Straf- beziehungsweise Disziplinarverfahren. In fünf Fällen sei das Disziplinarverfahren bereits abgeschlossen: Zweimal endete es mit einem Freispruch, einmal mit einem Verweis, zwei Beamte in Ausbildung wurden entlassen. Zwei weitere Beamte wurden während eines laufenden Verfahrens vom Dienst suspendiert.

Die Vorfälle sind durch interne Ermittlungen bekannt geworden, die das NRW-Innenministerium nach dem Auffliegen einer rechtsextremen Chatgruppe bei der Mülheimer Polizei im Herbst 2020 eingeleitet hat. Dort sind noch mehr als zwanzig Beamt*innen suspendiert. In Köln ließen sich solche Gruppenstrukturen jedoch nicht erkennen, sagt Carsten Möllers: »Es gibt kein Muster, was etwa Alter oder Geschlecht angeht. Die Fälle stammen aus verschiedenen Direktionen und Bereichen.« Zudem habe sich ein Teil der Vorfälle im Privaten abgespielt. Ein Beamter sei etwa durch Postings in einem mittlerweile geschlossenen Chat­forum aufgefallen, ein anderer Beamter habe außerhalb der Dienstzeit eine Verkäuferin rassistisch beleidigt. »Da kam dann bei den Ermittlungen heraus, dass es sich bei dem Täter um einen Polizisten handelt«, sagt Möllers. »Dabei müssen wir die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch im privaten Bereich besonders klar vertreten.«

»Es ist wichtig, dass solche Vorfälle umfassend aufgearbeitet werden,« sagt Philipp Krüger von der Themenkoordinationsgruppe Polizei & Menschenrechte bei Amnesty Deutschland. Das ist nicht selbstverständlich. In Düsseldorf wurde eine 21 Jahre alte Kommissaran­wärterin vom Dienst suspendiert, die Vorgesetzte auf problematische Inhalte einer Chatgruppe aufmerksam machte. Die Polizeiführung warf ihr vor, das darin verbreitete Gedankengut zu teilen. Erst durch eine Entscheidung des Ober­verwaltungsgerichts Düsseldorf konnte sie wieder in den Dienst zurückkehren. »Whistleblower benötigen unbedingt Schutz«, sagt Philipp Krüger. »Die Polizei braucht eine andere Kultur, mit eigenen Verfehlungen umzugehen.« In der Polizeiforschung spricht man von einer »blauen Mauer des Schweigens«: Verfehlungen werden selten von andere Polizist*innen angezeigt, weil sie Sanktionen bei der Arbeit befürchten.  

Carsten Möllers lässt diesen Vorwurf für die Polizei Köln nicht gelten: »Wir haben viele Fälle, in denen Kollegen aufgestanden sind.« So sei ihm etwa verdächtiges Vokabular gemeldet worden. ­Möllers Rolle als Extremismus­beauftragter existiert seit März 2020, um bei rechtsextremen Verdachtsfällen ein unabhängiger interner Ansprech­partner zu sein. Eine seiner weiteren Aufgaben ist Prävention. »Für die Zukunft planen wir Seminare mit dem NS-DOK, um den historischen Blick zu schärfen«, sagt Möllers. Zudem seien alle Führungskräfte sensibilisiert worden, zwischen Team- und Korpsgeist zu unterscheiden. Eine Hundertschaft habe Workshops angefragt, »um ihr Wertebild zu hinterfragen.«

Philipp Krüger von Amnesty Deutschland will die Pläne der ­Kölner Polizei nicht aus der Ferne bewerten. Es sei aber wichtig die Maßnahmen wissenschaftlich zu begleiten und unabhängig zu evaluieren. »Leider sperrt sich die Polizei in Deutschland immer noch sehr stark gegen die Evaluation durch Dritte«, sagt Krüger. »In den USA haben wir Studien über Racial Profiling im niedrigen dreistelligen Bereich.« In Deutschland gibt es bis heute keine einzige.