»System vagabundierender Nichtverantwortung«: Schauspiel und Oper am Offenbachplatz

Volles Risiko

Die Kölner Bühnen haben 15 Millionen Euro an die Pleite-Bank Greensill verloren

Der Schock vom Januar, als klar wurde, dass die Kosten der Bühnen­sanierung am Offenbachplatz auf eine Milliarde Euro zusteuern, legte sich gerade. Da kam Anfang  März die Meldung, dass weitere Millionen vernichtet wurden. Patrick Wasserbauer, Geschäftsführender Direktor der Bühnen, hat sich verzockt. 15 Mio. Euro hatte er bei der Privatbank Greensill angelegt, um Minuszinsen zu vermeiden. Am 3. März aber meldet die Bankenaufsicht BaFin, dass Greensill pleite sei. Zwar heißt es in der Mitteilung, die Einlagen der Kunden seien durch das Einlagensicherungsgesetz geschützt. Doch das gilt nicht für kommunale Eigenbetriebe wie die Bühnen. Das Geld ist weg.

Patrick Wasserbauer behauptete, Risiken habe er nicht erkennen können. Viele Kölner Politiker sehen das anders. »Greensill war damals schon von einer Rating-Agentur auf BBB+ herabgestuft worden«, sagt etwa Jörg Frank, bis November langjähriger finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Er verteidigte Dörte Diemert, Kämmerin der Stadt, als einige sie überstürzt als Verantwortliche ausgemachten. Frank verweist auf die Eigenbetriebsverordnung NRW. Demnach ist die Betriebs­leitung von Eigenbetrieben für die wirtschaftliche Führung verantwortlich. Zudem ist dort vorgeschrieben, ein »Überwachungssystem einzurichten, das es ermöglicht, etwaige die Entwicklung beeinträchtigende Risiken frühzeitig zu erkennen«. Das ist nicht geschehen.

Dass die Einlagen von Bund, Ländern und Kommunen bei privaten Banken nicht mehr geschützt sind, hatte der Bundesverband Banken im Oktober 2017 entschieden. Das NRW-Ministerium für Kommunales wies am 19. Dezember 2017 in einem Runderlass nochmals darauf hin. Die Kommunen sollten reagieren — indem sie ihre Anlagerichtlinien entsprechend ändern und Geld künftig statt bei Privatbanken bei Sparkassen oder der NRW-Bank anlegen. Die Stadt Köln reagierte denn auch — bloß nicht deren Eigenbetriebe.

Auch Jörg Detjen, Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses (RPA) und Ratsmitglied der Linken, sieht die Verantwortung nicht bei der Kämmerin. Er möchte sich grundsätzlich nicht an Schuldzuweisungen beteiligen. »Die Verantwortung mag letztlich bei Patrick Wasserbauer liegen«, sagt Detjen. »Aber die Anschuldigungen überdecken ein systemisches Problem.« Die Stadt benötige ein sogenanntes Cashpooling-System, um Anlagerisiken zu erkennen. Derzeit wird in Köln mit Excel-Dateien gearbeitet. Detjen fordert zudem eine einzige Anlagerichtlinie für die Stadt und deren Eigenbetriebe. Außerdem sollten Eigenbetriebe wie die Bühnen oder die Gebäudewirtschaft nicht mehr selbstständig Kapital anlegen dürfen, meint Detjen und plädiert hier für eine Zentralisierung. Dass die Bühnen ihre Anlagerichtlinie damals nicht anpassten, ärgert Detjen. »Wir hätten damals alle genauer hingucken sollen.« Allerdings: Das war nicht Aufgabe der Politik, sondern lag allein in der Verantwortung Patrick Wasser­bauers.

Seit 2009 ist er im Amt. Zuvor war Wasserbauer Leiter des Staatstheaters Darmstadt und Orchesterdirektor der Bochumer Symphoniker. Dass er überhaupt die Qualifikation für seinen Posten besitze, wird nun bezweifelt. So meldet sich auch Lothar Theodor Lemper zu Wort, Mitglied des CDU-Parteivorstands. Lemper war im Rat einer der profiliertesten Kulturpolitiker seiner Partei und von 2004 bis 2009 Kulturausschussvorsitzender. Er spricht von einem »System vagabundierender Nichtverantwortung« und kritisiert, dass der Betriebsausschuss der Bühnen und der Kulturausschuss personell identisch sind. »Damit wird von den Mitgliedern des Kulturausschusses ein hohes Maß an bautechnischer Kenntnis und wirtschaftlichem Sachverstand verlangt.« Das aber sei »in der Regel bloß rudimentär vorhanden«, — was der Betriebsleitung der Bühnen durchaus zupass käme, meint Lemper, der die Verantwortung bei Wasserbauer sieht.

Womöglich ist Greensill auch nicht das einzige Problem, dass sich die Bühnen eingehandelt haben. Damals sei es darum gegangen, insgesamt 100 Mio. Euro anzulegen, um Minuszinsen zu verhindern, so Wasserbauer im Finanzausschuss Mitte März. Ein Teil des Geldes hat er auch bei chinesischen und türkischen Banken angelegt. Näheres ist bislang nicht bekannt. Ein Gutachten zum Vorgang, das Kämmerin Diemert in Auftrag gegeben hat, soll Aufklärung bringen, es wird noch für Mai erwartet.

Auch andere Städte sind von der Greensill-Pleite betroffen, etwa Monheim, ein 43.000-Einwohner-Städtchen zwischen Köln und Düsseldorf. Monheim galt lange als haushaltspolitisches Vorbild, weil es die Gewerbesteuer drastisch senkte, so Hunderte Unternehmen ansiedelte und dann schwarze Zahlen schrieb. Nun der tiefe Fall: 38 Mio. Euro hat man bei Greensill angelegt — alles weg. In Monheim stellte die CDU Strafanzeige gegen Bürgermeister Daniel Zimmermann.