Zwischen cooler Poesie und Melodramatik

»The United States vs. Billie Holiday« von Lee Daniels

In Lee Daniels’ ungewöhnlichem Biopic kann nur die Hauptdarstellerin überzeugen

Bezeichnenderweise basiert »The United States vs. Billie Holiday« nicht, wie man von einem Biopic erwarten könnte, auf einer Biografie über die berühmte Jazzsängerin. Stattdessen verweisen die Credits auf ein Sachbuch, dem Holiday bloß als dramaturgischer Katalysator für sein weitschweifiges Thema dient: »Drogen: Die Geschichte eines langen Krieges« schildert den Kreuzzug, den staatliche Behörden seit einem Jahrhundert weltweit gegen illegale Drogen führen. Abgesehen davon, dass dessen Autor Johann Hari vor dem Abfassen dieses Bestsellers als Plagiator entlarvt worden ist und sich gleich auf den ersten Buchseiten zu Übertreibungen hinreißen lässt, hat diese kuriose Quellenwahl leider unglückliche Auswirkungen auf Figurenzeichnung, Erzählperspektive und Plot-Entwicklung des Films.

Drehbuchautorin Suzan Lori-Parks und Regisseur Lee Daniels betrachten ihre Protagonistin folgerichtig vor allem als Junkie, und sie geben dem Blickwinkel von Polizeibeamten breiten Raum. Dabei wird der historisch verbürgte Rassismus des langjährigen Leiters der amerikanischen Bundesbehörde für Drogenbekämpfung, Harry Anslinger (Garrett Hedlund), so grell zur persönlichen Besessenheit überzeichnet, dass strukturelle Aspekte von Diskriminierung aus dem Blick geraten. Dagegen lässt die wichtigste männliche Figur, Anslingers schwarzer Untergebener Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes), reizvolle Ambiguität erahnen. Doch sein Zwiespalt zwischen Ehrgeiz und vermeintlicher Staatsbürgerpflicht auf der einen sowie Geringschätzung durch weiße Kollegen und Ablehnung durch Afroamerikaner auf der anderen Seite wird schnell in romantischem Kitsch aufgelöst, wenn das Drehbuch dieser realen Figur eine Liebesaffäre mit Holiday andichtet.

Die dramaturgische Konfusion erreicht dann ihren Höhepunkt, wenn ausgerechnet der erste Heroinrausch Fletchers als Anlass dient, ein kurzes Schlaglicht auf Holidays brutale Kindheit zu werfen — was wiederum in eine Fantasie-Sequenz (?) übergeht, die den Drogenmissbrauch der Sängerin ebenso mit einem anonymen Lynchmord kurzschließt wie auch ihren berühmtesten Song, »Strange Fruit«. Dabei steht die schwülstige Melodramatik der Inszenierung in ebenso großem Widerspruch zur kalten Poesie dieses Liedes wie zur harten Nüchternheit eines berüchtigten dokumentarischen Fotos, mit dem der Film beginnt. Umso höher ist Andra Days Leistung zu bewerten, die nicht nur viele Songs ziemlich originalgetreu interpretiert, sondern der Hauptrolle auch durch ihr Schauspiel angemessene Herbheit verleiht.

(dto) USA 2021, R: Lee Daniels; D: Andra Day, Trevante Rhodes, Leslie Jordan, 130 Min