Europa, das Pulverfass: »Automatenbuffet« von Anna Gmeyner, Foto: Matthias Horn

Zündende Funken

Das Berliner Theatertreffen zeigt seine Auswahl im Livestream

»Wie muss Theater heute sein?« Diese Frage stellt sich erneut das Berliner Theatertreffen, das allen Widrigkeiten der Pandemie zum Trotz auch in diesem Jahr seine »10er Auswahl« präsentiert. Also zehn, von einer Jury nominierte Inszenierungen der vergangenen Saison. Sie alle werden im Mai, wenn das Festival startet, im Netz zu sehen sein, gestreamt aus Wien, Zürich, München, Berlin und Hamburg — ganz ohne lange Anreisewege für das Publikum. Irgendetwas Gutes muss der Lockdown ja haben.


Schon 2019, also lange bevor das Virus weltweit die Pausentaste drückte, sorgte das Theatertreffen für Aufmerksamkeit. Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer verkündete damals, eine Frauenquote einzuführen. Mindestens die Hälfte der ausgewählten Stücke sollten künftig von Regisseurinnen stammen. Es gebe ein großes Missverhältnis im Theatertreffen, und zwar schon seit den 60er Jahren, sagte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. »Ich dachte lange, es geht auch ohne Quote. Aber ich habe gemerkt: Es ändert sich nichts.« Ein Jahr später wurde sie für dieses Engagement mit dem Berliner Frauenpreis 2020 ausgezeichnet. Und nun?


Genau fünf Stücke, die es in die diesjährige Auswahl geschafft haben, wurden von Regisseurinnen produziert, darunter etwa das Stück »Automatenbuffet«, inszeniert von Barbara Frey am Burgtheater Wien. »Europa ist ein Pulverfass, in das jeden Moment der zündende Funke fallen kann«, schrieb die Autorin Anna Gmeyner darin, das war Anfang der 30er Jahre. Erschreckend heutig ist ihr Werk, vielleicht auch deswegen wurde seine Inszenierung nun unter enormem medialen Applaus gefeiert. Gezeigt wird auch »Medea*« der Nachwuchsregisseurin Leonie Böhm am Schauspiel Zürich: Alle Figuren bis auf die Protagonistin hat sie herausgestrichen, das Sternchen hinter dem Namen stehe für »den Blick zwischen die Sätze«, heißt es im Programmheft zum Stück. Und dann gibt es da noch das Projekt »Scores That Shaped Our Friendship« von Lucy Wilke, das — weil die Schauspielerin im Rollstuhl sitzt — eine weitere Debatte über die Inklusivität des Theaters losgetreten hat.


Keine Kölner Produktion, aber vom hiesigen Schauspiel-Intendanten Stefan Bachmann in der Auswahl: »Graf Öderland«, eine Moritat in zwölf Bildern von Max Frisch, koproduziert vom Theater Basel und dem Münchener Residenztheater. Ein Stück über einen Kassierer, der eines Tages zur Axt greift und mordet — und einen Staatsanwalt, der von dieser Tat tief erschüttert ist.

13.–24.5., berlinerfestspiele.de