Diktatur eines neuen Humanismus: »Toxic« als Live-Theater-Film, Foto: Trafique

Pool auf Dachterrasse

Das Studio Trafique ist Krisenambulanz und Labor für neue Formen

In Corona-Zeiten ein freies Theater neu zu gründen — mutet seltsam an. Vielleicht aber auch nicht, wenn das Theater sich als digitales Labor, sogar als Krisenambulanz versteht, um auch anderen Theatern zu helfen, besser sichtbar zu sein?

Björn Gabriel und Anna Marienfeld, Leiter des Ensembles Trafique, frisch aus Dortmund nach Köln gezogen, sind jedenfalls Feuer und Flamme. Sie führen durch den Kulturbunker Mülheim, der die neue Heimat ihres Studio Trafique ist: Zwar sieht es ohne Publikumsverkehr etwas heruntergekommen aus, doch immerhin 250 Plätze hat der Saal, es gibt Galerie, Dachterrasse, Büro. Die Hebepodeste fanden sie auf einem Kleinanzeigenportal, neun Meter breit ist die Bühne: »Dieser Raum ist ein Traumort für ein erstes eigenes Theater«, sagt Gabriel.

Natürlich stehen zur Eröffnung keine Zuschauerstühle da, sondern Tische mit sechs Bildschirmen und Reglerpulten. Live gestreamt wird »Toxic — Fluchtversuche aus einer totalitären Abhängigkeit«, ein Abend über toxische »Menschlichkeit«. Im Stream zu sehen: sechs weiße Panele, auf die ein Videobildgewitter projiziert wird, das Tor von Auschwitz, Kriege, gehetztes Fliehen durch dunklen Wald — die Baumstämme sind im Bühnenhintergrund aufgebaut.

Die Interviewpause findet auf der Dachterrasse statt, auch hier wollen sie, wenn wieder Zuschauer zugelassen sind, bald spielen — sogar einen Pool für lauschige Premierennächte ist geplant. Das digitale Know How haben sie aus Dortmund mitgebracht: Gabriel war dort prägender Schauspieler im Ensemble unter Kay Voges, der wegen seiner Netzexperimente bundesweit gefeiert wurde, Anna Marienfeld hat bei der Akademie für Theater und Digitalität gearbeitet. Doch was das neue Studio Trafique besonders macht, ist sein Ansatz, Vernetzungspunkt und Krisenhilfe für Theaterkünstler aus Köln und NRW zu werden.

Ein diverser Spielplan soll so entstehen, acht Stücke im Monat werden unter dem Label »Allianz Systemrelevanz« gezeigt, es gibt Pläne mit mindestens fünf freien Kölner Gruppen und Anfragen aus ganz NRW. »Wir wollen mit ihnen zusammen forschen — wie könnte Theater in Zukunft aussehen?«, sagt Gabriel, und Marienfeld fügt hinzu: »Wer sich für eine Kooperation interessiert, soll gerne ganz unkompliziert an uns herantreten.«

Info: Trafique.de