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Der Elefant von Garnier

Mit Kanonen auf Elefanten schießen: Ein dunkles Kapitel der Unterhaltungskultur

Der Elefant von Mademoiselle Garnier war ein zahmes Tier, ein »gelehrter Elefant«, wie es damals hieß, mit nur noch einem Stoßzahn. 1814 hatte ihr Vater, ein Berliner Schausteller, der mit seiner Wandermenagerie durch Europa zog, ihn in London gekauft und ihn einige Zeit später seiner Tochter vermacht. Das Interesse an exotischen Tieren war damals ungebrochen groß, bereits seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehörte die Tierschau in Buden und großen Zelten zur alltäglichen Unterhaltungskultur. Man präsentierte das Panzernashorn Clara als »Wunder der Natur« auf Europatournee, führte die Dressur der Löwen Charlotte und Coburg vor und schließlich auch das Gorilla-Weibchen Jenny, das man fälschlicherweise für einen Schimpansen hielt.

Den Berichten über diese Attraktionen fehlt jedes Mitgefühl. Quälend muss die Zeit der Gefangenschaft für die Tiere gewesen sein — auch für den Elefanten von Mademoiselle Garnier, den schließlich ein groteskes Ende ereilte. Im Mai 1820 wurde er in Genf vorgeführt, doch die Schießübungen in einer nahe gelegenen Garnison machten ihn unruhig. Beim Verlassen der Stadt geriet er plötzlich in Panik. Er lief davon, konnte kurze Zeit später im Hof der Bastion Hollande aber wieder mit Leckerbissen angelockt werden. Möglicherweise war das der Punkt, an dem ihm klar wurde, dass er einen fatalen Fehler begangen hatte. Der Elefant begann zu randalieren, stieß einen Munitionswagen um, drehte mit dem Rüssel die hochragenden Räder und warf mit Kanonenkugeln.

Am Ende war es Mademoiselle Garnier selbst, die entschied, ihren Elefanten mit Arsen zu vergiften. Doch die Fütterungen blieben erfolglos, eine Traube Schaulustiger setzte die Dame zunehmend unter Zugzwang. Würde sie der Kraft dieses großen Tieres trotzen können? Es kam, wie es kommen musste: Man machte mit dem mittlerweile völlig verstörten Elefanten kurzen Prozess. Durch ein eigens in die Mauer gebrochenes Loch schoss man ihm eine Kanonenkugel in den Kopf. Sein Fleisch wurde später unter der Bevölkerung von Genf verteilt. Es sei ihnen, so heißt es in einem Bericht, trotz des darin enthaltenen Giftes gut bekommen. Bis die exotischen Tierschauen in Europa verboten wurden, sollte es noch mehr als hundert Jahre dauern.