Erzählt ermächtigend: Shida Bazyar, Foto: Tabea Treichel

Verbunden durch Ausgrenzung

Shida Bazyar beschreibt die Freundschaft junger migrantischer Frauen in Deutschland

Kasih, Saya und Hani sind Freundinnen. Von ihrem unerschütterlichen Zusammenhalt gegen Alltagsrassismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung erzählt die 1988 geborene Autorin Shida Bazyar in ihrem neuen Roman »Drei Kameradinnen«. Die Eltern der jungen Frauen kamen als Geflüchtete nach Deutschland, doch ihre genaue Herkunft verrät die Ich-Erzählerin Kasih nicht. Gemeinsam wachsen sie in einer vorstädtischen Hochhaus­siedlung auf, die nicht konkret benannt wird, und treffen sich anlässlich einer Hochzeit in einer Großstadt wieder, deren Name sich bestenfalls erahnen lässt. Die bewusste Selektion an Informationen begünstigt die selbstermächtigende Erzählstrategie des Romans.

»Ich bin nicht: die Ausgeburt der integrierten Gesellschaft.« Oder: »Ich bin nicht: das Mädchen aus dem Getto.« Doch: »Ich bin: das Mädchen aus dem Getto. Aber das ist eine Frage der Perspektive.«

Die Perspektivfrage stellt sich im Roman vor allem in Bezug auf die Bewältigungsstrategien der diskriminierten Personen. Während Saya mit Diskussionen und Workshops versucht die Probleme im Kampf gegen die rechte Gefahr zu benennen, und Kasih als arbeitslose Einser-Absolventin eines Soziologiestudiums sie zumindest anerkennt, ignoriert die gelernte Bürokauffrau Hani sie oft einfach oder wirkt deeskalierend. Bereits Bazyars Debütroman »Nachts ist es leise in Teheran« eröffnet diesen multi­perspektivischen Blick auf das Leben in Deutschland aus der Sicht einer geflüchteten Familie aus dem Iran.

Doch Bazyars zweiter Roman ist mehr als eine Migrationsgeschichte. Gleich zu Beginn wird Saya in einem vorausgeschickten Zeitungsartikel vorgeworfen, einen islamistischen Terroranschlag verübt zu haben. Die Erzählung liest sich als Zuspitzung der Ereignisse bis zur besagten Katastrophennacht, die mit einem tödlichen Hausbrand endet und sich zeitlich rund um den NSU-Prozess einordnet, ohne diesen explizit zu nennen. Bis dahin lernen wir Saya sowohl als wütende Frau kennen, die Hass-Kommentare auf Nazi-Portalen studiert, sowie als verletzliche Frau, die ihren Körper im Schlaf gegen Wände katapultiert. Die beeindruckende Wirkung von Bazyars Roman liegt in der gewollten Spannung zwischen einer unzuverlässigen Erzählstruktur, die Misstrauen begünstigt, und

der adressierenden Haltung der Erzählerin, die ihre Leser*innen genau dann visiert, wenn sie sich durch Vorbehalte auf eine falsche Spur haben leiten lassen. Daher zählt am Ende vielleicht doch nur eines: Zusammenhalt statt Ausgrenzung. 

Lesung:

Fr 11.6., Litcologne Digital, 20 Uhr

Roman:

Shida Bazyar: »Drei Kameradinnen«
KiWi, 352 Seiten, 22 Euro