»Pfefferminz Frappé«: Geraldine Chaplin

Carlos Saura auf ARTE

Vier Klassiker des spanischen Regisseurs findet man momentan in der Mediathek

Die Vergangenheit ist stets präsent in den Filmen, mit denen Carlos Saura in den 1960er und 1970er Jahren berühmt wurde. In »Die Jagd« begegnen sich drei Jäger im selben Tal, in dem sie vor Jahrzehnten im spanischen Bürgerkrieg kämpften und in dem das Skelett eines Gefallenen wie ein Schatz in einer Höhle liegt. »Pfefferminz Frappé« handelt indes von einem Arzt, der von einer Unbekannten besessen ist, die er einst bei einer Osterprozession beobachtete und die er nun partout in der Ehefrau eines Freundes wiedererkennen will. In »Anna und die Wölfe« tritt die Protagonistin wiederum eine Stelle als Kindermädchen auf einem Landgut an, dessen Status quo von der greisen Matriarchin ständig mit der vermeintlich glorreichen Zeit vor dem Bürgerkrieg verglichen wird. Und in »Züchte Raben …« erscheint der achtjährigen Hauptfigur nach dem Tod des Vaters als unaufdringliches Gespenst die bereits zuvor verstorbene Mutter.

Die vier Klassiker, die jetzt in der ARTE-Mediathek verfügbar sind, bieten einen reizvollen Ausschnitt aus dem fast drei Dutzend Spielfilme umfassenden Oeuvre des 89jährigen Spaniers. Dabei lassen sich weitere verbindende Themen und Motivketten entdecken: Das gilt nicht zuletzt für den dezenten Surrealismus, der sich aus dem Spiel mit Puppen, Trödel und Uniformen ergibt und seinen kurzweiligen Höhepunkt in »Pfefferminz Frappé« findet. In dem Luis Buñuel gewidmeten Film tritt Geraldine Chaplin, die lange mit Saura liiert war und auch die Hauptrolle in »Anna und die Wölfe« sowie eine kleine Doppelrolle in »Züchte Raben …« hat, gleich dreifach auf, in allen zentralen Frauenrollen.

Zugleich arbeiten diese Filme die Fäulnis der die Franco-Diktatur stützenden Bourgeoisie heraus. Dabei lässt »Die Jagd« untergründig schwärende Aggressionen in einer eindringlichen Montage von Schüssen auf Kaninchen aufbrechen. In Gestalt eines herrischen Militaria-Sammlers, eines schwächlich-perversen Familienvaters sowie eines verkniffenen Bußpredigers gibt »Anna und die Wölfe« wiederum die ideologischen Fixpunkte des Regimes (Armee, Familie, Kirche) der Lächerlichkeit preis — jedoch nicht, ohne in einer schockierenden Schlusswendung deren anhaltende Gefährlichkeit zu notieren. Die verschlüsselte Auseinander­setzung mit gesellschaftlicher Realität findet schließlich im wunderschönen »Züchte Raben …« kurz nach Francos Tod ihren subtilsten Ausdruck. In jedem Fall könnte die Reflexion von kindlicher Ohnmacht und erwünschter (oder befürchteter) Allmacht zarter und vielschichtiger nicht sein.

Alle Filme sind auf arte.tv verfügbar