»Der Schrecken der Medusa«: Einfach Wahnsinn

Alle möglichen Katastrophen

Filmgeschichte für Zuhause

Vielleicht sitzen wir im Juni wieder in Cafés mit Außengastronomie, aber im Kino, sagt der Instinkt, sitzen wir wahrscheinlich immer noch nicht. Also muss man sich wohl weiter mit dem Heimmedienangebot begnügen. Es passen erstaunlich viele Juni-Blu-ray-Veröffentlichungen zu diesen unseren Zeiten, da die staatliche Bürokratie sowie die offensichtliche Art, wie sich die Politik nach der Wirtschaft richtet, viele Leute derart paranoiafreudig macht, dass man den absurdesten Blödsinn glaubt, wenn er nur konform geht mit dem eigenen Hass. Wobei es weder in Luis Estradas »El Narco (El infierno)« (2010, White Pearl Movies) noch Ousmane Sembènes »Mandabi« (1968, Studiocanal) oder Jack Golds »Der Schrecken der Medusa« (1978, Koch Media) um blutrünstige pädophile Liberale oder vergleichbaren Wahnsinn geht. Für Paranoiker vielleicht am schmeichelhaft-zugänglichsten ist »Der Schrecken der Medusa«. Eine Fabel über einen misanthropischen Schriftsteller, der dank telekinetischer Kräfte mit immer größeren Katastrophen immer mehr Menschen vernichten will. Am Ende des Films steht die Ankündigung das sowieso störanfällige britische AKW Windscale zu zerstören. Kurz darauf kam es in echt zum Reaktorunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island. Überhaupt ahnten Gold und seine Autoren, wohin die (Terror-)Reise gehen würde, schließlich gehört zu den Film-Katastrophen ein Flugzeug, das in ein Hochhaus fliegt… Dem Titel »El infierno« — erst in neuer Edition wurde daraus »El Narco« — zum Trotz geht es in Luis Estradas Satire über die mexikanischen Drogenkartelle und deren Verbindungen in die höchsten Politstellen ungleich weniger endzeitlich als arg alltäglich zu. Ordinäre Korruption lässt eine gewaltwillige Backpflaume zum Macher aufsteigen. Dass das einheimische Publikum den Film im Gedenkjahr zum 200. Geburtstag der mexikanischen Unab­hängigkeit zum Kassenschlager machte, besagt verdammt viel über die Verhältnisse im herrlichsten Land der Amerikas. Das Ganze in viel kleiner, stiller und verzweifelter sehen wir in »Mandabi«: Ein Mann im Senegal möchte sei­­ne Geldanweisung einlösen — und wird von Pontius zu Pilatus ge­­schickt.

Außerdem unbedingt sehens- und besitzenswert: Mary Harrons sträflich unterschätzte Kapitalismusgroteske »American Psycho« (2000, Koch Media), Horst E. Brandts groß- wie breitgewachsenes Widerstandspamphlet »KLK an PTX — Die Rote Kapelle« (1971, DEFA Filmjuwelen), sowie Bert Ira Gordons räudige Rattenhorrorsozialsatire »Insel der Ungeheuer — The Food of the Gods«(1976, NSM).