Auf »Schland«-Reise: Fehler Kuti aka Julian Warner, Foto: Julian Baumann

»Take my hand as we collect Dosenpfand«

Das Impulse-Theater-Festival bringt Showcase und Akademie ins Netz

Live und in Farbe, ja, aber ganz sicher nicht vor »echtem« Publikum: Auch in diesem Jahr ist das Festival für das Freie Theater im deutschsprachigen Raum ins digitale Off verlegt. Komme, wer wolle, anstecken wird sich hier niemand. Höchstens mit — nun ja, der Titel des Festivals legt es nahe — neuen Impulsen. Jenseits des Stadttheaterapparats wird hier jährlich eine Auswahl herausragender und herausfordernder Produktionen des Off-Theaters gezeigt, in diesem Jahr allerdings nur jene, die Corona-tauglich sind, und das umfasst leider noch immer: nur die, die digital stattfinden können.

»Take my hand as we collect Dosenpfand«, fordert dann etwa der Performance-Künstler und Musiker Julian Warner. Unter seinem Pseudonym Fehler Kuti hat er 2019 sein Debütalbum »Schland ist the Place for me« vorgelegt, jetzt entlarvt er in einem ebenso experimentellen wie musikalischen Performancestück die rassistischen und kapitalistischen Machtverhältnisse eines Landes, in dem die gleichen Rechte noch nie für alle galten. Ähnliches Thema, anderes Format: Das Berliner Kollektiv Turbo Pascal fordert in einem Online-Gesellschaftsspiel auf, die eigene Soziale Klasse zu outen — rein fiktiv anhand vorgegebener Rollen, versteht sich. Wer oder was bestimmt eigentlich, welche biographischen Wege Kinder offen stehen und welche nicht?

Eine der aufwändigsten und vielleicht auch traurigsten Recherchen steuert das Wiener Kunst- und Performancekollektiv DARUM bei. Nach einer monatelangen Spurensuche erzählen sie in einem digitalen Archiv die Geschichten von Menschen, die ohne Angehörige bestattet wurden. Zudem gibt es Livestreams aus der Kölner Tanzfaktur: Joana Tischkau hijackt die »Mini Playback Show« und wagt den Versuch, dem Ruf nach liberaler »colorblindness« mit kindlichem Trotz zu begegnen. Tanja Krone gewährt in ihrer persönlichen Konzert-Performance »Mit Echten singen« Einblicke in die Realität ihrer sächsischen Heimat und Teresa Vittucci fragt in einem lust- und humorvollen Solo, warum die Jungfrau Maria eigentlich bis heute das Bild einer bis zur Ehe versiegelten Weiblichkeit prägt — und ob es irgendetwas Feministisches an dieser Ikone zu entdecken gibt.

Wer nach diesen Impulsen noch nicht bildschirmmüde ist, kann sich der Akademie widmen: »Lost in Space« lautet der Titel der diesjährigen Seminar- und Konferenzreihe, in der sich Retrospektive und Ausblick über den Zustand der Kulturszene verschränken und die Frage gestellt wird: Wie verändert sich eine Gemeinschaft, die ins Virtuelle verlagert wurde und in der es keine Körperlichkeit mehr gibt?

2.–13.6., impulsefestival.de