Welche Farbe fehlt hier? Désirée Frese, Christina Schumacher und Silvia Marchais-Raytchevska von der BI »Mehr Grün in Kalk« mit Kindern

Postindustrielle Blüte

Kalk ist der Stadtteil mit den wenigsten Grün- und Freiflächen in Köln. Eine Initiative will das ändern

Und dann war da auch noch die Idee mit dem Hauptbahnhof. Ende Mai schlug Paul Böhm einen linksrheinischen Grünzug mit einer Parkstadt vor, dazu die Begrünung der Hohenzollernbrücke. Um Platz dafür zu schaffen, wollte der Kölner Architekt den Hauptbahnhof nach Kalk verlegen. Désirée Frese wundert das nicht. »Kalk gerät meist in den Blick, wenn man lästige Infrastruktur loswerden will.« Frese hat andere Visionen als Paul Böhm. Sie ist Teil einer Bürgerinitiative, die ihr Ziel im Namen trägt: »Mehr Grün in Kalk«.

Das Problem, das die BI ausgemacht hat, manifestiert sich in zwei Zahlen: Jedem Kölner, jeder Kölnerin stehen im Durchschnitt 45,7 Quadratmeter öffentliche Grünfläche zur Verfügung. In Kalk und Humboldt-Gremberg, das ergab eine Anwohneranfrage im vergangenen Jahr, sind es nur 8,3 Quadratmeter. »Das spricht für sich«, sagt BI-Mitglied Silvia Marchais-Raytchevska. In den vergangenen zwei Jahrzehnten sei in Kalk viel gebaut worden: Wohnungen und Büros, zudem 2005 das Einkaufszentrum Köln-Arcaden — zu Lasten von Freiflächen. Zudem war Kalk als ehemaliger Industriestandort schon zuvor stark versiegelt. Es gebe in Kalk zahlreiche Hitzeinseln, aber kaum kühle Orte, sagt Marchais-Raytchevska. Sie sieht darin auch ein Problem für soziale Gerechtigkeit und Umweltgerechtigkeit: Viele Menschen im Veedel seien von Mehrfachdiskriminierung betroffen: »Sie haben keinen privaten Garten und auch nicht die Möglichkeit, regelmäßig in der Natur Urlaub zu machen.« Das gelte auch für viele Kinder im Veedel.

Nun erarbeitet »Mehr Grün in Kalk« Vorschläge, wie das Grün ins graue Kalk zurückkehren kann. Die BI richtet ihr Augenmerk auf die Hallen Kalk. Die Gründung der BI geht auf die Anfänge des Städtebaulichen Werkstattverfahrens für das ehemalige Werksgelände von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) im Kalker Süden vor vier Jahren zurück. Die BI will knapp 10.000 Quadratmeter auf dem Gelände als Freifläche erhalten. »Die letzte Chance für Kalk, eine Freifläche in dieser Größe zu bekommen«, sagt Marchais-Raytchevska. Ihr Wunsch ist, dass dort ein Naturerfahrungsraum mit hoher Aufenthaltsqualität entsteht. Auch ein anderes Großprojekt in Veedelnähe ist in den Fokus der BI gerückt: »Der Kalkberg hat großes Potenzial«, sagt Désirée Frese. Die Giftmülldeponie im angrenzenden Buchforst könne zur begrünten Aussichtsplattform, zum Aufenthaltsraum werden und zudem umliegende Stadtteile verbinden.

Auch im Kleinen hat die Initiative Vorschläge, Natur nach Kalk zurückzuholen. Manche tragen erste Früchte. Jüngst hat die Bezirksvertretung Kalk die Verwaltung beauftragt, Konzepte für die Aufwertung des Breuerparks und der Grünfläche an der Grünberg-Schule zu erarbeiten. Doch nicht nur bestehende Freiflächen sollen grüner werden, es sollen auch neue entstehen. Marchais-Raytchevska nennt etwa einen Parkplatz an der Dillenburger Straße, den Reisende nutzen, um von dort zum Flughafen aufzubrechen. »Wir haben offene Flächen, aber sie werden dem parkenden und fließenden Autoverkehr zugesprochen.« Mitstreiterin Désirée Frese hat auf Grundlage eines Workshops im Rahmen der »Regionale 2010« zudem Möglichkeiten einer grünen Durchwegung des Veedels erarbeitet. »Viele Menschen hier können sich gar nicht vorstellen, dass ihr Viertel nicht grau sein muss«, sagt sie und fordert einen Diskurs darüber, dass Kalk auch grün sein könnte. Stattdessen diskutiert Köln über einen Hauptbahnhof in Kalk.

Vernetzungs- und Aktionstreffen der BI »Mehr Grün in Kalk«:
Sa 3.7., 14–18 Uhr, an der Neuerburgstraße