»Wir haben alles in der Hand«: Christiane Martin

»Für mich ist das ein ­sauberer Prozess«

Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin zur Zukunft des Otto-und-Langen-Quartiers

Frau Martin, am 24. Juni war Ratssitzung. Dort hatte die Politik die Möglichkeit, die Versprechungen der vergan­ge­nen eineinhalb Jahre umzusetzen und für die Ausübung des Vorkaufsrechts auf dem Otto-und-Langen-Quartier in Mülheim zu stimmen. SPD und Linke haben sich bereits dafür ausgesprochen, das Ratsbünd­nis aus Grünen, CDU und Volt noch nicht. Den Grünen kommt als stärks­ter Partei eine besondere Position zu. Werden Sie die Ausübung einfordern?

Natürlich stehen wir zu den Beschlüssen, dass die Stadt jetzt das Vorkaufsrecht ausüben soll. Das wird aber nicht The­ma der Ratssitzung sein. Derzeit sieht es danach aus, dass die Entscheidung im Sommer im Hauptausschuss getroffen wird. Die Stadtverwaltung bereitet die Vorlage gerade vor und legt sie dann der Politik zur Abstimmung vor.

Reicht das zeitlich?

Der Hauptausschuss ist am 19. Juli. Die Stadtverwaltung hat Anfang Juni Kenntnis von dem Kaufvertrag erlangt. Ab dem Zeitpunkt hat sie zwei Monate Zeit, das Vorkaufsrecht auszuüben.

Die Opposition, also SPD und Linke, hat schnell reagiert und öffentlich die Ausübung des Vorkaufsrechts eingefordert. Das Ratsbündnis hat bis Mitte Juni keine Stellungnahme dazu herausgegeben. Warum?

Ich habe keinen Bedarf gesehen. Es ist ja selbstverständlich, dass wir an den Beschlüssen festhalten! Es gibt die Satzung über das besondere Vorkaufsrecht und die gilt natürlich. Ich wundere mich ein wenig über Ihre Frage.

Ich frage deswegen nach, weil der neue Eigentümer Christoph Kahl öffentlich darüber nachgedacht hat, der Künstlerinitiative Raum 13, deren »Deutzer Zentralwerk der schönen Künste« Ende April geräumt wurde, möglicherweise wieder Flächen auf dem Gelände anzubieten. Könnte das ein Deal sein: Raum 13 darf bleiben, aber die Stadt verzichtet auf das Vorkaufsrecht?

Damit wäre ein Teil des Ratsauftrags erfüllt. Für mich wäre das kein Teilerfolg. Wenn ein Gremium eine Satzung über ein Vorkaufsrecht beschließt, gilt das. Dann kann Baudezernent Greitemann nicht einfach eine andere Vorlage machen. Und es steht auch nicht in Rede. Hier ist meine öffentliche Stellungnahme, die Sie vermisst haben: Für uns Grüne gilt die Satzung zum besonderen Vorkaufsrecht. Das Einzige, was dann passieren kann, ist dass der Verkäufer vom Kauf zurücktritt. Ich kann noch so viele politische Beschlüsse treffen, wenn er nicht an die Stadt verkaufen will, haben wir keine Handhabe. Das Gleiche gilt für das Landesgrundstück.

Der größere Teil des Grundstücks gehört dem Land und gilt als Schlüs­selgrundstück. Warum gibt es keinen Ratsbeschluss zum Erwerb des Landesgrundstücks?

Das könnte man beschließen, aber das Land will es ja nicht. Wir haben für beide Grundstücke das Vorkaufsrecht beschlossen. Damit ist auch klar, dass wir beide Grundstücke haben wollen. In der Ratssitzung im Februar haben wir den Direktankauf für das Grundstück der ehemaligen KHD-Hauptverwaltung beschlossen, weil da Eile nötig war.

Die Künstlerinitiative Raum 13 hat gemeinsam mit Unterstützer*innen im Februar einen »Fünf-Punkte-Plan zur Rettung des Otto-und-Langen-Quartiers« erarbeitet und den Parteien zugeschickt. Darin wurden neben dem Direktankauf des Landes­grundstücks noch andere Instrumente genannt wie die Veränderungssperre oder ein geändertes Planungskonzept, die die Position der Stadt gegenüber dem Land stärken würden. Warum haben Sie das nicht beschlossen?

Der Antrag war der drohenden Räumung von Raum 13 geschuldet. Wir haben diesen einen Punkt beschlossen, weil dies das wirksamste Instrument in dieser akuten Situation war. Ein Direktankauf vom Land wurde bereits von dort abgelehnt. Die anderen Punkte waren für uns nicht sinnvoll und wir erreichen das Ziel auf einem anderen Weg: Natürlich wären Direktankäufe der bessere Weg, aber jetzt gibt es eben das Vorkaufsrecht. Für mich ist das ein sauberer Prozess. Das Einzige, was wirklich blöd gelaufen ist, ist die unnötige Räumung von Raum 13.

Baudezernent Markus Greitemann hat gerade eine Mitteilung vorgelegt, in der er für das Landesgrundstück das Vergabeverfahren an den Höchstbietenden skizziert. Ist das nicht ein Richtungswechsel?

Das sehe ich nicht. Das Land hat einen Direktverkauf an die Stadt Köln abgelehnt und schreibt jetzt die Vergabe dieses Grundstückes europaweit in einem zweigeteilten Bieterverfahren aus. Und die Kommune, auf deren hoheitlichen Gebieten dieses Grundstück liegt, kann für diese Ausschreibung Kriterien mit fest­legen. Das ist ein normaler Ablauf und die Aufgabe von Markus Greitemann.

Der Rat könnte gegen dieses Höchst­gebotverfahren ein Veto einlegen. Es gibt ja auch Verfahren, in denen das Konzept und nicht der Preis entscheidet. Werden sie das tun?

Das Land hat sich gegen eine reine Konzeptvergabe entschieden. Jetzt ist es ein zweigeteiltes Verfahren. Die erste Runde ist eine qualitative Ausschreibung. Nachdem man sich für Inhalte entschieden hat, geht es in die zweite Runde, und da entscheidet der Preis. Ziel Nummer Eins ist natürlich, dass die Stadt bzw. das städtische Tochterunternehmen Moderne Stadt diese Ausschreibung gewinnt. Das Wichtigste ist, auch wenn ein anderer Investor sich durchsetzt: Mit dem beschlossenen Vorkaufsrecht haben wir alles in der Hand.

In der Presse stand, dass die ­Grünen letztes Jahr eine Spende über 20.000 Euro von dem neuen Eigentümer Christoph Kahl bekommen haben. Stimmt das?

Die Grünen auf Bundesebene haben letztes Jahr zweimal 10.000 Euro von der Privat­person Christoph Kahl erhalten. Der Spenden-Kodex der Grünen ist strenger als die gesetz­lichen Vorgaben. Die Spenden ­wurden demnach geprüft und dann angenommen. Die Spenden ka­men im Januar 2020 und da gab es keinerlei Verbindung zwischen Christoph Kahl/Jamestown und dem Otto-und-Langen-Quartier.

Gerüchte, dass er Interesse hat, kursieren schon etwas länger.

Er ist seit drei Wochen in das Verfahren eingebunden, vorher gab es nie Gespräche mit ihm. Anfang des Jahres habe ich auch von solchen Gerüchten gehört. Aber die Spenden sind eben letztes Jahr geflossen, und zwar an den Bundesverband. Wir wussten nichts davon.

Der Bundesverband der CDU hat nicht nur letztes Jahr ei­ne Großspende, sondern auch An­fang Juni eine Spende von 500 000 Euro von Christoph Kahl bekommen. Da wäre ein zeitlicher Zusammenhang da. Haben Sie ihren Koalitionspartner darauf angesprochen?

Ja, wir haben über die Spenden gesprochen. Im Umfeld der CDU gibt es viele große Unternehmen, die hohe Spenden tätigen, das ist nicht ungewöhnlich. Meines Wissens sind auch die Spen­den an die CDU an deren Bundesver­band gegangen. Das muss die CDU sich genau angucken und bewerten.

Gemeinwohlorientierung oder Investorenplanung?

In der Debatte um die Zukunft des »Otto-und-Langen-Quartiers« in Mülheim-Süd könnte es zu ent­schei­denden Weichenstellungen kommen: Der Kölner Investor ­Christoph Kahl hat mit seinem Unternehmen »Jamestown« die ehemalige Hauptverwaltung der Gasmotorenfabrik Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) gekauft. Zuvor gab es einen monate­langen Streit mit dem Vorbesitzer der denkmalgeschützten Immobilie an der Deutz-Mülheimer Straße, Gottfried Egger­bauer, der Ende April in der Räumung der auf dem Gelände ansässigen Künstlerinitiative »Raum 13« mündete. Die Stadt hat nun die Möglichkeit, die KHD-Hauptverwaltung zu kaufen. Dafür hat die Politik im März 2020 ein be­sonderes Vorkaufsrecht be­schlossen. Die Stadt müsste in dem Fall nicht den ausgehandelten Verkaufspreis über­nehmen, sondern ein Gutachten würde den Verkehrs­wert bestimmen. Eine direkte Einigung mit Gottfried Eggerbauer scheiterte bislang am Preis. Die Politik spricht sich seit eineinhalb Jahren parteiübergreifend für eine »ganzheitliche Entwicklung« des sechs Hektar großen Areals aus mit »einem gemeinwohlorientierten Nutzungsmix aus Wohnen, sozialen, kulturellen und gewerblichen Nutzungen und dies auch unter Berücksichtigung der besonderen Rahmenbedingungen des Denkmalschutzes«. Aufgrund baulicher Abhängigkeiten macht eine Entwicklung des Geländes nur Sinn, wenn beide Teile — die KHD-Haupt­verwaltung und das angrenzende Grundstück, das derzeit dem Land gehört  — in gleicher Hand sind. Das Land, das seinen Teil ebenfalls verkaufen möchte, hat einen Direkt­verkauf an die Stadt Köln bislang abgelehnt. Laut Bauministerin Scharrenbach ist ein Direktverkauf an die Stadt nur für »kommunale Zwecke« möglich, nicht aber für eine investorennahe Planung. Dies bedeutet, dass dort mehr als die 30 Prozent geförderten Wohnraum entstehen müssten, die das »koope­rative Baulandmodell« der Stadt Köln vorschreibt. Ein Alternativkonzept, das im Umfeld des »Initia­tivkreises Otto- und-Langen-Quartier« entstanden ist, sieht dagegen 50 bis 70 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen vor.