Kein Handlungsbedarf weit und breit: Gelände der Hallen Kalk

Unerfüllte Versprechen

Die Stadt Köln erschwert eine gemeinwohlorientierte Entwicklung auf dem Areal der Hallen Kalk

Eine enorme Taubenpopulation, geplatzte Wasserleitungen und ansonsten gähnende Leere statt Pop-Up-Galerie, Museum, urbanem Gemein­schafts­garten und Kletterwand: Während der Platz für soziokulturelle Nutzungen immer knapper wird, verrammelt die Stadt in Kalk ein 7,7 Hektar großes Areal, für das es fertige Konzepte gäbe, erarbeitet von Initiativen aus dem angrenzenden Stadtteil, von Profis unterstützt und mit einer gemeinnützigen Stiftung als finanzstarkem Partner.

Zwischen Kalker Hauptstraße und Dillenburger Straße liegen die Hallen Kalk, ein Grundstück mit leer stehenden Industriehallen, viel Asphalt und größtenteils verwaisten Verwaltungsgebäuden. Es gehört der Stadt und soll neu entwickelt werden. In einem Wettbewerb setzte sich das Kölner Architekturbüro BeL 2017 mit einem Entwurf durch, der eine kleinteilige, schrittweise Entwicklung vorsah. 2019 stellten die Architekten einen überarbeiteten Plan zur Diskussion, der schließlich als Machbarkeitsstudie vom Rat verabschiedet wurde.

Die Hoffnung, dass die »Stadtentwicklung von unten« nun einsetzten würde, war groß — und wurde enttäuscht. Das Liegenschafts­amt, in der Funktion als Eigentüme­rin des Grundstücks, argumentierte mit offenen Haftungsfragen. Die Initiativen beklagen, bislang sei nicht versucht worden, gemeinsam Lösungen zu finden. Ein politischer Vorstoß, das zu forcieren, versandete. Dass das Gelände nach und nach von Vereinen, Kultur­einrichtungen, Künstlern und Kreativen belebt wird, eine zentrale Idee des hochgelobten Entwurfs: Bislang ein unerfülltes Versprechen.

Und es könnte noch schlimmer kommen. Rückt die Stadt nicht von ihrer Position ab, das Gelände nur verpachten und nicht verkaufen zu wollen, könnte die gemeinnützige Trias-Stiftung ihr Angebot, den Boden zu erwerben und den Nutzern zur Verfügung zu stellen, zurückziehen. Erbpacht soll zwar auf städtischen Grundstücken zur Regel werden und so der Stadt mehr Kontrolle über den Wohnungs­markt sichern. Hier könnte das Instrument aber eine Entwicklung im Sinne des Gemeinwohls erschweren. »Für wen, wenn nicht für uns, sollte eine Ausnahme gemacht werden?«, fragt Meryem Erkus, die für die Initiativen, insbesondere der Kultur­schaffenden, aus Kalk spricht. Erste Aktive haben sich aus Frust über die starre Haltung der Stadt bereits zurückgezogen. Droht nach dem Aus für die Künstler von Raum 13 im benachbar­ten Deutz ein weiterer Rückschlag für alle, die Stadt­entwicklung nicht allein den Immobilien­investoren überlassen wollen?

Zuletzt hatten Grüne, CDU, SPD, Die Linke, FDP und die Ratsgruppe Gut im Juni 2020 beschlossen, dass die Verwaltung Gespräche mit den lokalen Akteuren aufnimmt, den Wert des Grundstücks ermittelt und die Vergabe für einzelne Baufelder vorbereitet. Grüne und CDU sehen derzeit keinen akuten Handlungsbedarf. Niklas Kienitz, bislang noch Fraktions­geschäfts­führer und stadt­entwicklungs­politischer Sprecher der CDU, sieht die Verwaltung am Zug. Die Vorgaben der Politik hält er für ausreichend. Er soll demnächst den Posten als Dezernent für Stadtentwicklung übernehmen und damit die Verantwortung für die Umsetzung. »Die Vertreter der Initiativen sind immer drei Schritte voraus«, sagt er. Die Tendenz im Bündnis weise in Richtung Erbpacht. Er könne sich aber auch einen Verkauf an die Stiftung vorstellen. Durch ihre Satzung sei die gemeinnützige Nutzung des Grundstück ebenfalls auf Dauer gesichert.

Das sieht Sabine Pakulat, Ratsmitglied der Grünen und Vor­sit­zen­­de des Stadt­entwicklungs­ausschuss, anders. Sie hat Sorge, dass der Verkauf an eine private Stiftung eine kommerzielle Nutzung nicht dauerhaft ausschließt. Durch die Rechts­prechung seien Vereinbarungen, die für eine Dauer von mehr als 20 Jahren geschlossen würden, rechtlich nicht verbindlich. »Ein Vertrag mit Erbbau­recht gäbe der Stadt die Möglichkeit der Kontrolle für bis zu 99 Jahre«, sagt sie. Als Misstrauen gegenüber der Trias-Stiftung will sie das nicht verstanden wissen.

Spekulation mit Grundstücken sei laut Satzung ausgeschlossen, heißt es dort auf Anfrage. In einem Schreiben an die Stadt habe man schriftlich dargelegt, wie die Stiftung in ihren mehr als 50 Projekten steuere, wie die Grundstücke genutzt werden, etwa durch die Pachtverträge. Man sei aufgeschlossen, die Stadt in einem Beirat an der Entwicklung zu beteiligen oder ihr ein Rückkauf­recht einzuräumen. Dafür müssten aber zunächst Gespräche aufgenommen werden.

Einen politischen Auftrag dafür gibt es nicht. Pakulat strebt eine offene Konzept­ausschreibung für das Erbbaurecht an. Zuvor benötige die Verwaltung Zeit. »Wir brauchen geordnete Verfahren«, sagt sie.

Auf dem Gelände der Hallen Kalk soll neben Initiativen aus dem Stadtteil ein viel beachtetes »Haus der Einwanderungs­geschichte« Platz finden. Land und Bund haben dem Migrations­museum Domid dafür Förder­gelder zugesagt, zusammen 44 Mio. Euro für den Bau oder Umbau eines geeigneten Gebäudes. »Wir scharren mit den Hufen«, sagte eine Vertreterin des Museums im vorigen Oktober auf einer Veranstaltung des Bundes Deutscher Architekten. Bislang sind die Gatter um das Areal noch fest verschlossen.