So nicht, Freundchen: Deko vorm Kölner Dom

Im Auftrag des Papstes

Der Vatikan hat zwei Prüfer nach Köln geschickt. Verliert Kardinal Woelki nun sein Amt?

»Apostolische Visitation« klingt für viele nach einem Ken-Follett-Roman. Patrick Bauer aber muss jetzt eher an den nüchternen Tagungsraum im erzbischöflichen Maternushaus denken, wo er Anfang Juni zwei päpstlichen Visitatoren leibhaftig begegnete. Papst Franziskus hatte den Rotterdamer Bischof Hans van den Hende und den Stock­holmer Kardinal Anders Arborelius nach Köln geschickt, um im skandal­gebeutelten Erzbistum nach dem Rechten zu sehen: Sie sollten mögliche Fehler bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs untersuchen — sowie die »komplexe pastorale Situation«, was man mit einem zerrütteten Verhältnis von Bischof und Gläubigen übersetzen kann. »Sie haben dann gar keine Fragen gestellt, sondern gesagt, sie seien da, um zuzuhören«, so Bauer. Dies sei gelungen: »Die Bischöfe wirkten empathisch, teilweise schockiert von dem, was wir berichtet haben. Man spürte, dass sie von unseren Worten getroffen waren.«

Die Betroffenen waren die ersten, mit denen die Visitatoren sprachen, später folgten unter anderem Laienvertreter, aber auch die im Zuge der Missbrauchskrise zurückgetretenen Geistlichen sowie Woelki selbst. Im Gegensatz zu den anderen Gesprächspartnern wurden die Betroffenen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet — offenbar sollte der Eindruck vermieden werden, die Kirche wolle sie erneut zum Schweigen bringen. »Daran sieht man, dass der Papst und seine Visitatoren einiges gelernt haben im Umgang mit Betroffenen«, sagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller. Die Bischöfe ­fertigen nun einen Bericht an, anschließend wird der Papst seine Entscheidung über die Zukunft Woelkis treffen.

Woelki ließ im Vorfeld verlauten, er freue sich auf die Visitation. Schüller findet das wenig glaubhaft: »Eine Visitation ist ein scharfes disziplinarisches Mittel, das erst bei einem begründeten Verdacht eingesetzt wird. Erhärtet sich dieser, ist die Wahr­scheinlichkeit für einen Amtsverlust hoch.« Während eine Visitation bei Bischöfen regelmäßig vorkomme, sei dies bei Kardinälen höchstens einmal in zehn Jahren der Fall. Hinzu kommt, dass Franziskus das kirchliche Strafrecht reformiert und Vertuschung noch deutlicher unter Strafe gestellt hat. »Im Bereich Missbrauch hat Franziskus die Zügel kräftig angezogen«, so Schüller. Monat für Monat würden Bischöfe wegen Vertuschung ihres Amtes enthoben, zuletzt mehrere allein in Polen.

Woelkis Stuhl wackelt. Dass Woelki noch im Jahr 2017 einen Pfarrer zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf beförderte, im Wissen, dass dieser bezahlten Sex mit einem 17-Jährigen hatte — und sein Generalvikar Markus Hofmann dies kürzlich noch damit rechtfertigte, dies sei ja kein Straftatbestand gewesen — dafür mag Woelki heute niemand mehr verteidigen. Selbst der konservative und im Vatikan gut vernetzte Kölner Arzt Manfred Lütz rückt von ihm ab — kirchennahen Kreisen zufolge soll er Woelki im Mai sogar beim dienstältesten Bischof der Kirchenprovinz Köln, dem Münsteraner Bischof Felix Genn, wegen Verstoßes gegen das Kirchenrecht in einem anderen Fall angezeigt haben. Bereits im De­zem­ber war dort eine Anzeige gegen Woelki eingegangen, bisher aber ohne Folgen für den Kardinal.

Und dann ist da noch die Frage nach der »pastoralen Situation«: Gibt es die Hoffnung, dass Bischof und Gläubige sich wieder aussöhnen? »Diese Frage muss man eindeutig mit nein beantworten. Es gibt kein Vertrauen mehr in den Bischof«, sagt Schüller. »Das Tischtuch ist zer­schnit­ten«, sagt auch der Betroffe­ne Patrick Bauer. Müsste Woelki zurück­treten — was würde dann mit ihm geschehen? Viele geschasste Bischöfe arbeiten heute in einer Behörde des Vatikans, etwa Franz-Peter Tebartz-van Elst, der sich einst in Limburg eine opulente Bade­wan­­­ne einbauen ließ. Doch für eine Aufgabe im Vatikan sei Woelki nur bedingt geeignet, glaubt Schüller. »Er spricht ja kaum Fremdsprachen.«