Goodbye Studiobühne: Wiedersehen an einem neuen Ort! Foto: Christian Klingebiel

39 Jahre und vier Monate

Wegen des Brandschutzes muss die Studiobühne zwischenzeitlich nach Marienburg

Ein bisschen wehmütig sieht Dietmar Kobboldt schon aus, wie er da im Sonnenschein im Garten der Studiobühne sitzt, ein Glas Mineralwasser vor sich auf dem Tisch. Kein Kaffee wie sonst, aber viele Zigaretten. Natürlich. Seit 2012 ist er Leiter des Theaters, das nun »einfach von der Bildfläche verschwinden« soll, wie Kobboldt sagt. Denn schon Ende Juni muss die Studiobühne aus dem 50er-Jahre-Bau an der Universitätsstraße ausziehen, aus der Alten Mensa, die seit »39 Jahren und vier Monaten« ihr Zuhause ist. Dietmar Kobboldt war von Anfang an dabei. Sein erster Arbeitstag, er war studentische Hilfskraft und Anfang 20, fiel auf die Eröffnungsfeier in den damals frisch bezogenen Räumen. Der 1. März 1981. Ein Datum, das Dietmar Kobboldt nicht vergisst.

Und nun also ein weiterer Umzug. Eine gewisse Ironie hat es schon, dass die Studiobühne ausgerechnet aus Brandschutzgründen das Haus räumen muss. Schließlich hatte sie vor fast vierzig Jahren dort Zuflucht gefunden, nachdem ihr vorheriger Spielort abgebrannt war. Ein Anschlag, aber dazu später mehr. Erst einmal zündet sich Dietmar Kobboldt eine weitere Zigarette an und erzählt von den Sicherheitstüren, die die Uni hier in den vergangenen zwei Jahren noch eingebaut hatte, von Feuerlöschern, Rauchmeldern, dem alten Schmie­de-­Raum im Keller, unter dessen Esse man geprobt hatte, bis er irgendwann nur noch als Lager genutzt werden durfte. Doch nach langem Hin und Her steht die Entscheidung der Stadt fest. Die Studiobühne wird bis auf weiteres in einer Villa in Marienburg residieren, so lange bis ein neues Haus gefunden ist. Das Problem ist nur: In dem Interimsgebäude in Ma­rienburg gibt es keine Bühne, ge­schweige den Räume, in denen geprobt werden kann. Ein Theater ohne Spielort, also. Das ist es, was Dietmar Kobboldt wurmt.

Seit 1920 gibt es die Studiobühne in Köln, es ist das bundesweit älteste Universitätstheater. Dunkel wie die Nacht ist ihr Kapitel während der NS-Zeit, als Theaterleiter Professor Carl Niessen hier den Begriff des Thingspiels prägte, um ein völkisches Theater zu begründen. Schon 1933 war er Truppführer der SA geworden, ein Nazi durch und durch, abgesetzt hatte man ihn später trotzdem nicht. Doch Ende der 60er Jahre wendet sich das Blatt. »Kunst ist Krampf im Klassenkampf«, skandierten die Studierenden der Theaterwissenschaften damals und machten, vor allem unter der Leitung von Georg Franken die Studiobühne zu einem Zentrum für ex­perimentelles Theater.

Für die freie Szene gab es damals kaum Spielorte in der Stadt. Die Studiobühne wurde zum Zuhause für das politische Studierendentheater, vorübergehend auch für die anarcho-pazifistische Theatergruppe »Living Theatre« und für das Jugendtheater »Rote Grütze«, das mit ihrer Produktion »Was heißt ’n hier Liebe« den erbitterten Widerstand der katholische Kirche auf sich zog. Und dann war da natürlich der 7. Januar 1981, als plötzlich, mitten in der Nacht, die Studiobühne in Flammen stand. Geprobt hatte man dort noch wenigen Stunden zuvor das satirische Stück »Die Polizei« von Slawomir Mrozek. Ob der Brandanschlag damit in Verbindung stand, ist bis heute unklar. Auffallend war aber, dass Ankündigungsplakate, auf denen ein Polizist als Hampelmann dargestellt wurde, überall zerrissen herumlagen.

Experimentierfreudig und politisch ist die Studiobühne bis heute geblieben, mit tiefen Wurzeln in der Off-Theaterszene. Regelmäßig finden hier Festivals statt, etwa »15 Minuten« für Nachwuchskünst­ler*innen oder das internationale Festival »theaterszene europa«. Dietmar Kobboldt hätte gerne noch eine große Party gefeiert, zum Abschied aus der Alten Mensa. »Es ist schon bitter, dass wir nach der monatelangen Schließung jetzt einfach sang- und klanglos das Feld räumen müssen«, sagt er. Aber es gibt auch Grund für Optimismus: Die Verhandlungen mit der Stadt über ein neues Gebäude für die Studiobühne laufen gut, nur verraten darf Dietmar Kobboldt noch nichts. »Wir werden hoffentlich so schnell wie möglich wieder einen Spielort haben«, sagt Kobboldt. Zwar müssten zunächst Umarbeiten durchgeführt werden, aber das sei höchstens eine Sache von ein paar Monaten. Bis dahin könnten Produktionen auf den Bühnen anderer Theater in der Stadt gezeigt werden. Regie-Kollege Tim Mrosek, der auch an den Gartentisch gekommen ist, holt einen Zettel aus der Tasche, ein vorläufiger Spielplan für die kommenden Monate. Mrosek selbst wird sein neues Stück in der Orangerie zeigen, das Analog-Theater bespielt mit einer Produktion über den Tod womöglich die TanzFaktur. Im Rahmen des Festivals Westoff wird es »Die letzte Messe« geben, einen emotionalen Abgesang auf die Kirche, und das Parasites Ensemble zeigt eine Performance über Aktivismus. Viel los wird also doch sein, nicht unbedingt in, aber mit der Studiobühne. »Es wird ein verlassenes Gebäude geben«, sagt Tim Mrosek noch zum Schluss. »Aber die Studiobühne bleibt.«