Männer mit Gitarren, Presslufthämmern und vom Mars

Materialien zur Meinungsbildung /// Folge 232

Warum will denn plötzlich jeder »Feedback«? Piept’s bei den Leuten? Darf ich Waren, Dienstleistungen und Gesine Stabroths Idee, »am Wochen­ende mal mit Tine wandern zu gehen«, jetzt nicht mehr im Stillen doof finden? Muss ich mich noch erklären? Das ist doch doppelt doof für mich! Ich dachte, Feedback sei aus der Mode. Wer in alten Zeiten Wut und eine elektrische Gitarre hatte — was meist miteinander einherging —, der stellte sich vor die Boxen seines Verstärkers und erzeugte einen sich immer weiter aufschwingenden Piepton: die Vorwegnahme jenes Tinnitus, der Fans solcher Musik bald lebens­lang begleiten sollte.

Klar, konnte man sich was in die Ohren stopfen. Aber das ziemte sich in diesen Kreisen nicht. Rockmusiker trugen das Haar lang, um es heimlich zu tun. Gesundheitsschutz galt als spießig. Deshalb auch all das Rauschgift schon vor dem Frühstück. Der Schutz des Trommelfells gilt bis heute unter vielen Männern als verzärtelt. Bauarbeiter, die einen Presslufthammer bedienen, tragen den Gehörschutz demonstrativ um den Hals. Vielleicht, weil diese Männer ohnehin nicht daran interessiert sind, was andere ihnen sagen, denn sie ­machen ihr Ding und keine Kompromisse. Da haben sie statt des Gelabers der anderen lieber ständig ein Piepsen im Schädel klingen, das missliebige Information von außerhalb übertönt.

In der Musik ist das Feedback zeitgleich mit Rockbands in Verruf geraten. Während in den 60er und 70er Jahren die Gruppe gesellschaftlich das Leitbild war, war es nun der Individualist, tätig in »Projekten«, bloß kurzzeitig gebunden in »Kollaborationen«. Das bevorzugte Musikinstrument war nun der Computer. Der konnte alles, bloß kein Feedback. Die neue musikalische Kraftmeierei war der elektronische Basston. Das Feedback malträtierte das Gehör, der Bass die Magengrube. Man muss sich den Konzertbesucher somit als jemanden denken, der vieles auszuhalten gewillt ist — tonaler Wohlklang auf Zimmerlautstärke gilt ihm als Schonkost für schlichte Gemüter. Nun kommt das Feedback wieder, aber ohne Rock’n’Roll, stattdessen clean und kontrolliert als Managementmethode. Doch strapaziös ist es wie ehedem.

In »Stukkis’ Gyros-Tempel« bekam ich einen »Feedback-Bogen«. Der sah aus wie ein Multiple-Choice-Test. Doch gebe es kein Richtig oder Falsch, wie Stukki gönnerhaft erklärte. Es gehe darum, »die Kundenbedürfnisse wert­schätzend wahrzunehmen, um die Produktpalette im gegenseitigen Austausch auf Augenhöhe zu optimieren«. Irgendetwas war mit Stukki im Shutdown geschehen, aber nichts Gutes ... Der redet doch sonst nicht so! Haben Außerirdische ihm einen Chip eingebaut? Nicht auszuschließen, jetzt, wo sogar das US-Militär die Existenz grüner Männchen für möglich hält. Nur, wieso wollen die Marsianer, dass Stukkis Kundschaft Kreuzchen auf Zettel kritzelt? Mir fiel kein Grund ein. Aber mir fällt zu vielem kein Grund ein, ganz gleich, ob es Marsmännchen oder Erdlinge tun.

Ich kreuzte immer die bestmögliche Bewertung an — mein Beitrag zur Solidarität mit der Gastronomie, die so sehr gelitten hat im Shutdown. Stukki war sehr zufrieden mit meinem Feedback. In der Zeitung las ich von, wenngleich unbemannten, Mars-Expeditionen. Es spricht für die Marsianer, dass sie uns nicht um ein Feedback zu ihrem Planeten gebeten haben. Vielleicht fürchten sie unsere Enttäuschung in Bezug auf Aufenthaltsqualität, Freizeitmöglichkeiten und Mobilfunknetz? Ach, ich glaube, sie sind einfach dezenter als wir. Dass man sie nirgends gefunden hat, ist ein weiteres Indiz dafür.