»Under my skin«

Das Wallraf verschafft dem Barock einen großen Auftritt

Sonderausstellungen dienen oft als Lockvögel, um auf die ständige Sammlung aufmerksam zu machen. Dieses Prinzip geht jetzt im Wallraf wunderbar auf. Um zum Fenstersaal mit den Protagonisten des spanischen Barock zu gelangen, deren Werke »Unter die Haut« gehen, wird man durch die eigene Barock-Abteilung des Wallraf-Richartz-Museum geführt. Und deren kürzlich abgeschlossene Neugestaltung ist eine Wucht.

Der Weg führt zunächst über die glanzvolle flämische Malerei des 17. Jahrhunderts. Hier haben die Meisterwerke von Rubens, Van Dyck, und Jordaens ihre schillernden Auftritte vor kraftvollem Rot. Sie sind kühn beschriftet mit »Augenlust«, »Peepshow« und »Wettstreit des Grauens«. Überhaupt verdienen die aufreizenden, dabei treffenden Wand- und Objekttexte eine lobende Erwähnung. Dem dramatischen Auftakt mit Bildgeschichten, die vor dem Hintergrund von Kriegen, Glaubenskämpfen und Absolutismus entstanden, folgen im blauen Raum »Beseelte Bilder« zu religiösen Themen, unter anderem von Van Honthorst und Rubens. Weiter geht es durch niederländische Landschaftsmalereien auf lindgrünen Wänden zur weinroten Prunkgalerie. Dort wartet »Die Welt als Bühne« mit grandiosen Porträts und Historienbildern von Tintoretto, Rembrandt und Rubens auf. Die thematische Neugliederung der Räume überzeugt — egal, ob man Neues entdeckt oder »alten Bekannten« wiederbegegnet.

Im Fenstersaal angelangt, meint man das Hauptwerk von Jusepe de Ribera nicht wiederzuerkennen. »Heiliger Paulus der Eremit« (1647) erstrahlt nach grundlegender Restaurierung in vollem Glanz und ist auch der Anlass für die Jahrespräsentation zur spanischen Barockmalerei. Die eindringliche Darstellung des ausgezehrten Märtyrers mit Totenschädel in den Armen wird um Ribera-Leihgaben aus Sevilla, Berlin und Remagen ergänzt. Die Bilder des Spaniers, der seit seiner Jugend in Italien arbeitete, zeigen in ihrer dramatischen Licht- und Schatteninszenierung und naturnahen Sachlichkeit den starken Einfluss Caravaggios.

Ganz anders der Sevillaner Bartolomé Estéban Murillo, dessen realistische Straßenszenen die Wände wohlhabender Auftraggeber schmückten. »Alte Frau und Junge«, ein Highlight der Kölner Sammlung, spielt auf die verheerende Pest 1649 an: Eine Bettlerin fürchtet, dass ihr ein freches Kind die klägliche Mahlzeit streitig macht. Wem das Mitgefühl gilt, der hungrigen Geizhälsin oder dem übermütigen Straßenjungen, bleibt offen.

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Di-So 10–20, 1./3. Do im Monat  10–22 Uhr
»Unter die Haut« läuft bis zum 24.4.2022