Mitarbeitende zeigen Initiative: Regenbogenflagge vor einem Supermarkt

Out im Job

Die großen Kölner Unternehmen werben mit LGBTIQ-Diversity um neue Arbeitskräfte

Bei Rewe begann alles mit einer E-Mail in Blindkopie. Nach dem CSD 2013 hat Frank Bartels sie verschickt. Ein Kölner Rewe-Markt war mit einem eigenen Wagen bei der Parade mitgefahren. »Ich habe danach ein paar SMS bekommen, ­­in denen ich gefragt wurde, warum wir als Mutterkonzern keinen Wagen haben«, sagt Bartels, der bei der Rewe Group im Travel- und Eventmanagement arbeitet. »Ich habe dann eine E-Mail an etwa zehn Kollegen geschickt, von denen ich wusste, dass sie schwul sind und dann haben sich 25 von uns in einem Café am Eigelstein getroffen.« Das war die Geburtsstunde von »Different Together« (di.to.), dem Netzwerk für schwule und lesbische Mitarbeiter*innen bei Rewe.

Netzwerke wie di.to. gibt es in vielen großen Kölner Unternehmen, etwa im WDR, bei AXA oder Ford. Meistens sind sie Teil eines Diversity-Konzepts, das auch ­sexuelle Diversität umfasst. Das Ziel: LGBTIQ*-Mit­­arbei­­tende im Arbeitsalltag unterstützen, sie bei Fragen wie dem Coming Out beraten und – klar – die Teilnahme an der CSD-Parade organisieren.

All dies ist wichtig. Der Kölner Psychologe Dominic Frohn untersucht mit seinem Team regelmäßig die Arbeitsbedingungen von LGBT*-Mit­arbei­ten­den. Sie alle berichten von Diskriminierungen, teilweise auch im Arbeits­umfeld. Da habe sich wenig getan, so Frohns Studie »Out im Office«. Geändert hat sich jedoch, wie offen die Mitarbeitenden mit ihrer Sexualität umgehen. Bei schwulen und lesbischen Arbeitnehmer*innen waren 30,6 Prozent nicht am Arbeitsplatz geoutet, bei bisexuellen noch 55,5 Prozent und bei Trans*-Beschäftigten gar 70 Prozent.

Dies zu ändern, sei zu allererst Aufgabe der Unternehmen selbst, befindet Frohns Studie:»Je freundlicher die erlebte Unternehmenskultur bezüglich LSBT*-Personen, desto mehr Befragte gehen offen mit ihrer sexuellen Identität bzw. ihrer Geschlechtsidentität um.« Diese wiederum habe direkte Auswirkungen auf die Arbeit. Mitarbeitende, die sich offen zu ihrer sexuellen Identität bekennen können, leiden weniger oft an psycho­somatischen Störungen und müssen keine Ressourcen einsetzen, um ihre Identität zu verbergen. Das mache sie produktiver, so Frohn. Ebenfalls seien sie zufriedener mit ihrer Arbeit und fühlen sich stärker mit ihrem Unternehmen verbunden. »Ich war immer out im Job«, sagt Frank Bartels von Rewe, »aber ich hatte nie die Notwendigkeit gesehen, mich offiziell im Unternehmen zu vernetzen.« Aber als er beim ersten Treffen merkt, dass manche homosexuelle Kolleg*innen nicht so offen bei Rewe sein können, wird ihm klar: »Wir brauchen ein Netzwerk. Kurz nach der Gründung haben sich dann auch die ersten Kolleg*innen geoutet.«

Bei Ford ging dies schon früher los. Seit 25 Jahren gibt es in Köln das Mitarbeitendennetzwerk »Gay Lesbian Or Bisexual Employees« (GLOBE). »GLOBE ist eins unserer größten Mitarbeitenden-Netzwerke«, sagt Ford-Sprecherin Ute Mundolf. Jedes Netzwerk hat bei Ford einen Sponsor, bei GLOBE ist dies der europäische Personalvorstand. »Alle Sponsoren stehen recht hoch in der Hierarchie«, sagt Mundolf. »So können Themen auf dem kurzen Dienstweg besprochen werden.« Mundolf findet, dass das Unternehmen Ford über diese Netzwerke direkt von der Expertise der Belegschaft profitiert. »Der Insight aus den Netzwerken ist uns sehr wichtig«, sagt sie. So habe der Konzern schon weit vor dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bei einer Versetzung ins Ausland die Umzugs­kosten auch für gleichgeschlechtliche Partner*innen übernommen, selbst wenn diese rein rechtlich nicht den Ehepartner*innen gleichgestellt waren.

»Allein, dass es uns gibt, hat dazu beigetragen, dass sich die Rewe Group zu einem modernen und offenen Unternehmen entwickelt hat«, ist sich auch Frank Bartels sicher. Zuvor hätten manche Kollegen das Wort »schwul« oder »lesbisch« umschifft: »Das ist zum Glück anders geworden.« Di.to. ist mittlerweile in alles sechs Regionen von Rewe Deutschland mit jeweils zwei Sprecher*innen aktiv. Aber es seien neue Fragen hinzugekommen: Gender, drittes Geschlecht oder Trans*-Themen. »Da lerne ich auch noch dazu«, sagt Bartels Auch bei Ford gibt es transidente Mitarbeiter*innen und die AXA erzählt auf ihrer Unternehmens-Homepage sogar die Geschichte einer Geschlechtsangleichung: die von Leonora Friese, die sich nach 24 Jahren im Unternehmen als Frau geoutet hat. »Das ist sehr unaufgeregt abgelaufen«, sagt AXA-Sprecherin Christiane Pabelick. »Frau Friese ist seit Beginn ihrer Transition sehr offen damit umgegangen und das ist honoriert worden.«

AXA wirbt sehr explizit mit seiner Diversity-Strategie um Arbeitskräfte, ist auf der LGBT-Karrieremesse »Sticks & Stones« vertreten und ist wie auch Rewe ein Unterstützer der Initiative »Prout at Work«. »Wir bekommen bei Bewerbungen das Feedback, das das auffällt«, sagt Christiane Pabelick. Auch Ute Mundolf sagt, dass das Image von Ford als LGBT-freundliches Unternehmen auf positives Interesse bei poten­ziellen Mitarbeitenden stoße. Und bei Rewe hat di.to. sogar eine Marketingmaßnahme ins Rollen gebracht. 2015 hat das Netzwerk die ersten Regenbogen-Aufkleber an Rewe-Märkte verteilt, mittlerweile hissen die Supermärkte und Baumärkte der Rewe-Group die Regenbogenfahne.

Colognepride

noch bis 5.9., an diversen Orten; colognepride.de