Kommt jetzt der Pexit?
Bernd Petelkau zählt zu den Mysterien der Kölner Lokalpolitik. Das Talent zum Redner fehlt dem CDU-Chef ebenso wie Charisma. Trotzdem ist dem 56-jährigen Diplom-Kaufmann eine bemerkenswerte Karriere gelungen: Er ist Vorsitzender der Partei, führt seit 2014 auch die Fraktion im Rat, ist Abgeordneter im Landtag und sitzt in diversen Aufsichtsräten. Obwohl die CDU bei der Kommunalwahl 2020 so schlecht abschnitt wie nie zuvor und nur 21,5 Prozent der Stimmen holte, ging sie aus den Bündnisverhandlungen mit den grünen Wahlsiegern und Volt gestärkt hervor: Die CDU besetzt nun den Posten der Stadtdirektorin und weitere wichtige Dezernate.
Petelkau müsse nur oft genug Nein sagen, dann knickten die Grünen irgendwann ein, sagt ein Ratsmitglied. Andere sagen: Obwohl die CDU nur drittstärkste Kraft im Rat ist, tritt Bernd Petelkau auf, als gehöre ihm die Stadt. Lange machte ihm in der Partei niemand seine Machtposition streitig. Während 2018 Kölner Spitzenpolitiker von Grünen und SPD über die Stadtwerkeaffäre stolperten, ist Petelkau weiter im Amt, obwohl er im gleichen Maß verantwortlich war. 2020 kehrte er sogar in den Aufsichtsrat der Stadtwerke zurück.
Es ist kaum noch erkennbar, wofür die Kölner CDU steht Thomas Breuer
Doch seit einigen Monaten knirscht es in der Partei. Im Juni legte eine Gruppe um Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma ein Papier namens »Lust auf CDU« vor, in dem sie den Zustand der Partei kritisieren. Der ehemalige Arbeitsdirektor der Rheinenergie, Thomas Breuer, gab bekannt, bei der Wahl zum Parteivorsitzenden gegen Petelkau anzutreten. Nun bekommen Schramma und Breuer Unterstützung — und zwar von teils prominenten Vertretern der Kölner CDU, darunter Konrad Adenauer, Rechtsanwalt und Kanzler-Urenkel, Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland und Michael Garvens, ehemaliger Geschäftsführer des Flughafens Köln-Bonn. Sie alle wollen für den Parteivorstand kandidieren.
»Wir brauchen endlich wieder offene Diskussionen in der Partei«, sagt Thomas Breuer. Unter Petelkau sei das nicht erwünscht gewesen, was auch an dessen Doppelfunktion liege: »Als Fraktionsvorsitzender ist er stark ins politische Tagesgeschäft eingebunden und muss als Bündnispartner natürlich Kompromisse eingehen.« Doch zunächst einmal müsse die Partei ihre Position entwickeln und deutlich machen. Das habe Petelkau versäumt. »Es ist kaum noch erkennbar, wofür die Kölner CDU steht«, sagt Breuer.
Wofür stünde denn eine Kölner CDU unter Breuers Führung? »Wir brauchen eine vernünftige Lösung für die Mobilität«, sagt Breuer, und meint damit auch einen unterirdischen Ausbau der Ost-West-Achse. Auch Sicherheit, Sauberkeit und »das Zusammenbringen von Umwelt- und Klimaschutz mit wirtschaftlicher Vernunft« seien ihm wichtige Anliegen. »Unser Hauptkonkurrent heißt nicht mehr SPD, sondern Grüne«, so Breuer. Mit seinem Programm will er Wähler zurückgewinnen, die die CDU in den vergangenen zehn Jahren verloren hat, Nicht-Wähler mobilisieren, und vor allem mehr junge Menschen ansprechen.
Vermutlich haben sie Angst, so kurz vor der Bundestagswahl aus der Deckung zu kommen Fritz Schramma
Bernd Petelkau lässt solche Argumente nicht gelten: »In der Geschichte der Kölner CDU gab es noch nie eine so erfolgreiche Phase wie jetzt, in der wir zehn Jahre die Stadt verantworten durften.« Die Partei habe den Stadtvorstand so stark geprägt wie selten zuvor, außerdem würde die CDU mit Henriette Reker zum zweiten Mal die Oberbürgermeisterin stellen. Schramma habe zudem den falschen Zeitpunkt für seinen Vorstoß gewählt: »Es gehört für ihn offenbar dazu, während des Bundestagswahlkampfs Dinge zuzuspitzen.« Die CDU habe bereits eine Kommission eingesetzt, die »in den nächsten Monaten gute Vorschläge erarbeiten wird.«
Trotzdem hat sich nun auch die Landespartei in den Machtkampf der Kölner CDU eingeschaltet: Schramma und Petelkau sowie einige ihrer Gefolgsleute wurden Mitte August von NRW-CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen zum Gespräch zitiert. Thema war unter anderem das Datum der nächsten Mitgliederversammlung, auf der auch die Wahl des Parteivorsitzenden ansteht. Landespartei und Petelkau wollen den schnellstmöglichen Termin am 4. September — Schramma und Breuer geht dies viel zu schnell, weil sie ihre Kandidaten in der kurzen Zeit kaum bekannt machen könnten. »Das zeigt, dass man eine Vorstellung der neuen Kandidaten unbedingt verhindern will«, so Breuer.
Ebensowenig wie die Landes-CDU haben sich die vier Kölner Bundestagskandidaten zum Streit bisher geäußert. Schramma ist darüber enttäuscht: »Vermutlich haben sie Angst, so kurz vor der Bundestagswahl aus der Deckung zu kommen«, glaubt er. Doch das sei der Sache nicht dienlich. »Unsere Bewegung wächst jeden Tag.«
Dass Petelkau nun beginnt, über eigene Fehler zu stolpern, dürfte es den neuen Vorstandskandidaten Adenauer, Henk-Hollstein und Garvens erleichtert haben, an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Eklat um Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz, der auf Vorschlag der CDU zum Beigeordneten des neu gegründeten Dezernats für Stadtentwicklung und Wirtschaft werden sollte, geht vor allem auf Petelkaus Konto. Die Bezirksregierung sprach Kienitz die fachliche Eignung für das Amt ab, nun steht — mal wieder — der Vorwurf der Mauschelei im Raum. Im Fall Kienitz hat Petelkau sich verschätzt. Liegt es daran, dass er seine Kritiker mundtot oder mit Posten gefügig macht, so wie viele seiner politischen Gegner es beschreiben? Fehlt ihm die interne Korrektur, weil in der Fraktion keiner mehr wagt, die Hand zu heben?
»Der Fall Kienitz muss Konsequenzen haben«, sagt Fritz Schramma. In die Junge Union seien zuletzt immer häufiger Personen eingetreten, die nur nach bezahlten Jobs über die CDU Ausschau gehalten hätten. »Das ist das Ergebnis zehnjähriger Führungsarbeit von Bernd Petelkau«, so Schramma.