Gemüse, Gemüse, Gemüse

Fermentieren, nicht lamentieren

Jetzt ist die Zeit, in der Hobbygärtner ihre Freunde mit Tomaten und Riesenzucchini beschenken. Aber freuen die sich wirklich?

Viele Menschen erledigen samstags ihren Einkauf für die ganze Woche. Das ist sinnvoll, spart Zeit und wahrscheinlich auch Geld. Ich schaffe das nicht, weil ich nicht so lange im Voraus weiß, was ich kochen und essen will. Fast jeden Tag gehe ich ­deshalb in den Supermarkt, wo bis Mitternacht alles verfügbar ist, es sind nur ein paar Minuten zu Fuß — mir macht das Spaß, für so was wohnt man ja auch in der Großstadt.

Trotzdem muss ich mich jetzt mit dem Thema Vorratshaltung beschäftigen, und das liegt nicht am nächsten Shutdown, sondern an unserem Garten, wo die Ernte seit Wochen in vollem Gange ist. Spätestens nach einer Saison kennt man das Problem der temporären Überproduktion. Man arbeitet zwar das ganze Jahr auf die Ernte hin, man freut sich schon beim Vorziehen im Frühjahr drauf, und ist dann doch überrascht von der Fülle. Zum Glück hat unsere neue Wohnung eine Vorratskammer. Dort leisten jetzt zwanzig Kilo Kartoffeln dem Leergut Gesellschaft. Der Kühlschrank ist vollgestopft mit Gurken, Bohnen und Spitzkohl, auf dem Fensterbrett lagern Kürbisse und Tomaten.

Ich mag Gemüse gern, aber diese geballte Präsenz von Essbarem macht mir auch ein schlechtes Gewissen. Von fachmännischer Lagerung habe ich wenig Ahnung. »Iss uns endlich«, scheinen die Auberginen zu rufen, »sonst werden wir labbrig!« Es landen ohnehin zu viele Lebensmittel im Müll, muss ich das Problem mit meinen amateurhaften landwirtschaft­lichen Bemühungen noch größer machen? Wie viele Zucchini kann ein Mensch am Tag essen? Klar, man kann das Gemüse auch ein­frieren, einwecken oder — wenn man so richtig am Puls der Zeit ist — fermentieren. Aber wer hat Zeit für all das?

Also verschenken wir viel im Bekanntenkreis. Keiner kann vorbeikommen, ohne den Heimweg mit Zucchini und Gurken unterm Arm anzutreten. »Danke, mmh, die sehen ja toll aus, lecker!«, rufen unsere Freunde dann, und ich hoffe, sie meinen es auch so, und geraten am Abend nicht ihrerseits in einen Gewissenskonflikt, weil sie sich eigentlich schon auf die Tiefkühlpizza gefreut hatten. Nicht, dass sie bald anfangen zu tuscheln: »Och nee, da kommt die schon wieder mit ihren Salatköpfen«.

Zum Glück ist es uns nicht gelungen, Bananen oder Speiseeis im Garten zu kultivieren. So findet sich auch zur Erntezeit immer ein Grund, abends noch eben in den Supermarkt zu gehen.