»The Painted Bird«

Václav Marhouls Drama um die grausamen Kriegserlebnisse eines kleinen Jungen provoziert

Ein Junge hetzt durch den Wald, auf der Flucht, sein weißes Frettchen fest umklammernd. Er wird schließlich von seinen Verfolgern eingeholt, Jungs kaum älter als er, einer drückt ihn zu Boden, schlägt ihm das Gesicht blutig, die anderen übergießen das kleine Tier mit Benzin und zünden es an, qualvolle Todesschreie ausstoßend verbrennt es, der Junge kann nur hilflos zusehen. Schon die erste Szene in Václav Marhouls Epos »The Painted Bird« ist eine Warnung: Dies ist nur der Beginn einer entsetzlichen Odyssee von Missbrauch, Versklavung und Gewalt, eine nicht enden wollende Kette von Grausamkeiten, gefilmt in grandiosen 35mm-Cinemascope-Schwarzweißbildern, die einen fast obszön wirkenden Kontrast zum Dargestellten bilden. Eine Zumutung.

»The Painted Bird« ist, das wird erst langsam klar, die Geschichte eines jüdischen Jungen, der gegen Ende des Zweiten Weltkriegs durch ein zerstörtes, ihm zutiefst feindlich gesinntes Osteuropa flieht. Drei Stunden nimmt sich Regisseur Václav Marhoul Zeit, diese Albtraumwelt voller Missgunst und Sadismus bis ins Detail zu schildern. Sein Film basiert auf dem Roman »Der bemalte Vogel« des polnischen Autors Jerzy Kosiński über die Flucht eines Sechsjährigen durch Osteuropa während des Holocaust, der diesen beim Erscheinen 1965 als autobiografisch ausgegeben hat. Von den deportierten Eltern bei einer älteren Bäuerin, die bald verstirbt, in Obhut gegeben, zieht der Junge auf sich allein gestellt von Dorf zu Dorf, gerät an Antisemiten und Abergläubige, einen sadistischen Müller (Udo Kier), an Pädophile und deutsche Nazis. Wie der bemalte Vogel, der von seinen Artgenossen totgehackt wird, wird der Knabe für sein vermeintliches Anderssein überall angefeindet.

Die Region ist, wie der Junge selbst, namenlos, die Sprache der Bevölkerung eine Art slawisches Esperanto, damit sich kein einzelnes osteuropäisches Land mit der Darstellung von primitiver Brutalität und antisemitischem Hass direkt angesprochen fühlt. Das ist aber auch das einzige Zugeständnis, zu dem Marhoul bereit ist. Zum Eklat kam es bei der Weltpremiere auf dem Filmfest in Venedig ohnehin, gleich reihenweise verließen Festivalbesucher*innen das Kino. Und in der Tat ist »The Painted Bird« schwer auszuhalten. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sich Marhoul, der sieben Jahre an dem Film gearbeitet hat, in der Rolle des Provokateurs gefällt. Doch wenn man sich darauf einlässt, ist sein Werk nicht bloßer Zynismus mit Schockeffekten, sondern eine virtuose Reise ins Herz der Finsternis, die verstört und aufrütteln kann. Ein höchst streitbarer Film, aber auch einer, der Auseinandersetzung verdient.

(Nabarvené Ptace) CZ 2019, R: Václav Marhoul, D: Petr Kotlár, Udo Kier, Lech Dyblik, 169 Min.