»Alles gerettet!«

Der Eiserne Vorhang ist keine Erfindung von ­Winston Churchill. Er geht zurück auf die größte Brandkatastrophe der Theatergeschichte.

Über den europäischen Kontinent senkte sich im Kalten Krieg der eiserne Vorhang. Winston Churchill verwendete den Begriff erstmals öffentlich in seiner Rede am 5. März 1946, ein Bild für die politische Teilung Europas entlang einer Linie »von Stettin an der Ostsee bis Triest am Mittelmeer«. Entlehnt hatte Churchill den Begriff des Vorhanges, eisern und mächtig, aus dem Theater: Seit Ende des 19. Jahrhunderts gehört er dort zu den vorgeschriebenen Brandschutzvorrichtungen, die im Fall eines Feuers die Bühne vom Zuschauerraum trennen. Dem voraus gegangen war eine Katastrophe: der Wiener Ringtheaterbrand am 8. Dezember 1881.

»Heute Abend hat sich in unserer Stadt eine der grauenvollsten Brandkatastrophen, welche seit Menschengedenken erlebt wurden, ereignet«, schrieb damals die Neue Freie Presse. Um kurz nach 19 Uhr, das Publikum hatte gerade im großen Saal am Schottenring 7 Platz genommen, um Offenbachs »Hoffmanns Erzählungen« zu verfolgen, war das Feuer ausgebrochen. Eine Gasexplosion beim Entzünden der Lampen hatte den Brand ­verursacht, die Flammen breitete sich rasend schnell über das gesamte Gebäude aus. Viele Opfer hätten möglicherweise gerettet werden können, doch die Türen, zu denen die Menschen in Dunkelheit und Panik drängten, ließen sich nur nach innen ­öffnen. Und weil niemand heraus kam, ließ die Polizei, die in ­ der Eingangshalle des Theaters eingetroffen war, verlauten: »Alles gerettet!«

Nach offiziellen Angaben kamen 384 Menschen bei dem Brand ums Leben, Schätzungen gingen von weit mehr Toten aus. Das Gericht, das einige Monate nach der Katastrophe drei Theatermitarbeiter schuldig sprach, »legte das Hauptgewicht auf das, was vor dem Brande unterlassen wurde«, schrieb am 18. Mai 1882 das Linzer Volksblatt. In unmittelbarer Folge wurden die Theaterbauvorschriften überarbeitet: Notausgänge mussten gekennzeichnet werden, die Notbeleuchtung wurde vorgeschrieben, ein eiserner Vorhang wurde Pflicht. Innerhalb von 30 Sekunden lässt er sich schließen, in manchen Theaterhäusern wird dann sogar ein Kunstwerk sichtbar, wie etwa in der Wiener Staatsoper. Seit 1998 wird hier der »Eiserne« als Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst genutzt.