Geradeaus zur Energiewende? Rheinenergie-Zentrale am Gürtel

100 Prozent Ökostreit

Die Kölner Klimabewegung streitet über den Kompromiss von »Klimawende« und Rheinenergie

Mitte September erklärte Kölns neuer Umweltdezernent William Wolfgramm in seiner Antrittsrede, wie er sich den städtischen Klimaschutz zukünftig vorstellt. Ein »wirkliches gutes Beispiel«, sagte Wolfgramm, wie man externe Akteure einbeziehe, um Klimaziele zu erreichen, sei der Kompromiss zwischen der Bürgerinitiative Klimawende Köln und der Rheinenergie. »Beide Seiten hatten andere Vorstellungen, aber am Ende haben wir ein sehr gutes Ergebnis erreicht.«

Es war auch ein Lob für sich selbst: Als Leiter des OB-Büros hatte Wolfgramm an den Verhandlungen teilgenommen, die Ende August in einem gemeinsamen Eckpunktepapier mündeten. Die Klimawende hatte sich im Frühjahr 2020 gegründet. Sie strebte ein Bürgerbegehren an mit dem Ziel, dass die Rheinenergie ab 2030 nur noch Öko-Strom anbiete. Mit 30.000 Unterschriften sollte das Bürgerbegehren in den Stadtrat eingebracht werden können. Sollte sich die Kölner Politik gegen die Forderung entscheiden, so der Plan, sollten die Kölnerinnen und Kölner in einem Bürger­entscheid direkt darüber abstimmen — idealerweise zur Bundestagswahl. Es war ein Frontalangriff auf die Klimaschutzbemühungen der Rheinenergie, die die Initiative als nicht ausreichend empfand.

Hat der Kompromiss mit der Rheinenergie die direkte Demo­kratie beschädigt?

Aber in einem Mediationsverfahren, das die Kölner Grünen initiiert hatten, einigte sich die Initiative mit Rheinenergie und Stadtverwaltung darauf, das Bürgerbegehren nicht durchzuführen. Im Gegenzug bekannte sich die Rheinenergie dazu, die Strom- und Wärmeversorgung bis spätestens 2035 klimaneutral umsetzen zu wollen. Gelingt das, wäre die Rheinenergie beim klimaneutralen Strom fünf Jahre langsamer als von der Klimawende ursprünglich gefordert, würde aber auch die Wärme bis 2035 dekarbonisieren. Noch in diesem Jahr soll der Rat darüber entscheiden. Das Mehrheitsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hat bereits Zustimmung signalisiert, ebenso wie SPD und FDP. Verabschiedet die Kölner Politik die Vorlage, ist das Bürgerbegehren vom Tisch.

Doch nicht überall herrscht Einigkeit. Innerhalb der Klimawende hat der Energie-Kompromiss zum Bruch geführt. Ehemalige Mitglieder hatten sich Ende August mit einem Brief an 30 Klimagruppen in Köln gewendet und den Schulterschluss mit der Rheinenergie kritisiert. »Es wirkt so, als würden alle an einem Strang ziehen, aber das stimmt nicht«, sagt Christoph Schulenkorf. Er war Mitglied der Klimawende, hat über Wochen Unterschriften gesammelt und den Protestbrief mit verfasst. »Losgelöst vom Ergebnis: Man kann nicht 30.000 Menschen sagen, man will eine Entscheidung in die Hand der Bürger*innen legen und das Rumgehampel der Parteien beenden. Und dann entscheidet man mit einem Dutzend Stimmen letztlich etwas anderes«, sagt Schulenkorf. Der Kompromiss habe das Vertrauen in ein Instrument der direkten Demokratie beschädigt.

Als sich abzeichnete, dass immer weniger Menschen innerhalb der Klimawende immer mehr entscheiden, berichtet Schulenkorf, habe er beschlossen, sich aus der Initiative zurückzuziehen. Wie ihm ging es auch anderen Unterstützern. Sie kritisieren auch den Inhalt des Kompromisses als zu vage. »Die Rheinenergie ist bereit, viele Dinge zu machen, wenn — und jetzt kommt das große Aber —, sich die Rahmenbedingungen so verändern, dass sie ihre Renditen weiter bekommt«, sagt Schulenkorf. »An keiner Stelle wird die Frage beantwortet, was passiert, wenn der Fall nicht eintritt. Es gibt keine Verbindlichkeiten für irgendwen, irgendwas zu tun.« Auch andere Klimagruppen haben sich mittlerweile von der Klimawende distanziert, etwa Attac und mehrere For-Future-Gruppen. Schulenkorf überrascht das nicht. »Die Einigung überfordert weder die Rheinenergie noch den städtischen Haushalt oder die Parteien«, sagt er. »Da frage ich mich aus Sicht der Klimabewegung: Kann das richtig sein, wenn sich keine Seite benachteiligt fühlt?«

Dass die Klimawende zwischen Konfrontation und Kompromiss mit dem städtischen Energieversorger ins Schlingern geraten ist, wurde auch Mitte September im Bürgerzentrum Nippes deutlich. Klimawende hatte Kölner Bundestagskandidaten eingeladen, über die Energiewende zu diskutieren. Klimawende-Vertreter Jörg vom Stein verteidigte die Einigung mit Rheinenergie. Man habe viel erreicht und ziehe nun mit »einem großen Partner« an einem Strang. Vom Stein sagte aber auch: »Wir als Klimawende sind mit der Vereinbarung nicht wirklich zufrieden. Wir sind mit dem Ziel angetreten, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Mit dem Eckpunktepapier ist das unmöglich.« Neben ihm auf dem Podium saß Malin Gisert von Students for Future und nickte. Man habe versäumt, sagte die Aktivistin, sowohl Politik als auch einen großen Energieversorger in die Verantwortung zu nehmen. »Und es wurde die große Chance vertan, zur Wahl einen Bürgerentscheid durchzuführen, damit alle beim Wählen über Klima nachdenken.«