Sozialprojekt in Gefahr? Protest der »Stadtteilmütter« vor dem Rathaus

Alles spar?

Der Stadthaushalt für 2022 wird beschlossen. Ist trotz Corona-Krise alles halb so schlimm?

Die kommunalen Haushalte sind verschuldet, und dann kam 2020 auch noch die Corona-Krise. Kämmerin Dörthe Diemert hatte Mitte August den Haushaltsplanentwurf für 2022 vorgelegt. Der Aufwärtstrend der jüngeren Vergangenheit, so Diemert in ihrer Rede, sei jäh unterbrochen. Grund seien die »zahlreichen Zukunftsaufgaben und Herausforderungen dieser Stadt« — und natürlich die finanziellen Folgen der Corona-Krise. Nun brütet das Ratsbündnis über den Vorgaben der Kämmerin und vermeldet, es werde kein »Sparhaushalt« — aber wie kann das sein?

»Unterstützung von Bund und Land haben zumindest dafür gesorgt, dass die Corona-Krise nicht mit voller Wucht auf die Kommunen durchschlägt«, sagt Sandra Schneeloch, haushaltspolitische Sprecherin der Grünen im Rat. Zumindest nicht unmittelbar. Mehrausgaben aufgrund der Pandemie können ausgebucht werden. »Das ist aber nur ein Buchungstrick«, so Schneeloch. »Nichtsdesto­trotz wird das in den kommenden Jahren den Haushalt belasten.«

Ein grundlegendes Problem ist, dass der Stadtwerke-Konzern — der Zusammenschluss der städtischen Unternehmen — weniger Geld in den Haushalt abführen kann. Die Messe zum Beispiel hat aufgrund der Pandemie massive Einbußen erlitten, die ohnehin defizitäre KVB sowieso. Ob es erneut Mittel zur Stärkung des ÖPNV von Bund und Land geben wird, ist ungewiss — und auch, ob die Menschen wieder Busse und Bahnen nutzen, wie vor der Pandemie.

Die finanziellen Mittel für die großen Themen Klimaschutz, Infrastruktur und Radverkehr, so Schneeloch, seien aber gesichert. Der Blick gehe daher in den Beratungen gerade auf die Projekte in den Veedeln. Eben hier aber gibt es Aufregung. Was be­deuten die finanziellen Folgen der Corona-Krise für den sozialen Bereich?

Im Rat war bereits über die Hilfen für Erwerbslose gestritten worden. Die Struktur sei in Gefahr, der Spielraum vieler Initiativen drohe eingeschränkt zu werden, sagt Güldane Tokyürek, Fraktionschefin der Linken. Sie nennt etwa Initiativen wie die »Stadtteilmütter«, die die Chancen von Kindern aus migrantischen Familien verbessern. Hier benötige man viel mehr Geld, um diese erfolgreiche Arbeit langfristig zu sichern. »Im Vergleich zu anderen Haushaltsposten sind das Peanuts«, so Tokyürek. Zudem erschwere es das Engagement und sei zermürbend, wenn jedes Jahr erneut die Unterstützung für erfolg­reiche und wichtige Projekte erkämpft werden müsse. Ebenso sieht die Linke die Erwerbslosenberatungs- und Arbeitslosenzentren in Gefahr.

»Viele Initiativen sind aus der Förderung des Landes herausgefallen. Wir müssen das als Stadt auffangen und haben das alles auf dem Zettel«, versichert Schneeloch für die Grünen. Die Linke hat aber noch etwas anderes auf dem Zettel. Es bräuchte auch mehr Unterstützung für Konzepte gegen die Wohnungs- und Obdachlosigkeit, so Tokyürek. Die Situation habe sich in der Corona-Pandemie noch verschärft. Aber auch beim Sozialen Wohnungsbau stockt es. Die Wohnungsbau-Offensive, die der Rat bereits 2016 beschlossen hatte, lahmt. Stattdessen spricht OB Henriette Reker nur vom preisgedämpftem Wohnungsbau.

Obwohl die Stadt von Verkehrsproblemen, den Folgen des Klimawandels und Wohnungsnot geprägt ist, malt Reker ein rosiges Bild und geriet im August geradezu ins Schwärmen angesichts des Haushaltsplanentwurfs. Es sei »ein echter Gestaltungshaushalt«, und man ebne »den Weg hin zu einer smarten, enkeltauglichen und modernen Metropole im Herzen Europas«. Das legt die Messlatte für das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt ziemlich hoch. Mit ihrer Mehrheit wollen sie den Haushalt am 4. Oktober im Finanzausschuss beschließen.