Fehlende Müll­eimer signalisieren, dass Aufenthaltsqualität der Kunst untergeordnet wurde

»Ein Stück Kunst«

Der L.-Fritz-Gruber-Platz im Kolumba-Quartier ist preisgekrönt und wird rege genutzt. Aber würde man ihn heute nicht doch anders planen?

Der kleine rechteckige Platz, dessen Name an den weltbekannten Gründer der Fotomesse Photokina erinnert, liegt nicht weit von Oper und Schauspielhaus. Die Nord-Süd-Fahrt trennt ihn vom irgendwann wieder hergestellten Kölner Zentrum der Hochkultur. Der L.-Fritz-Gruber-Platz dürfte aber auch für sich genommen zu den konzeptionell ausgefallensten Orten der Stadt gehören. Vor wenigen ­Jahren war er noch ein Parkplatz. Er musste erst mühsam freigekämpft werden, bevor er sich schließlich zum preisgekrönten, nicht nur von Architekten geschätzten Gesamtkunstwerk wandeln konnte.

2012, nach fünf Jahren Planung, begann der Umbau nach Entwürfen des Düsseldorfer Büros Scape. Die innere Platzfläche — im Format eines Kleinbildfilms — bedeckt ein heller Betonstein, eingerahmt von einem Passepartout aus schwarzen Natursteinen. Eine Projektionslampe über der Fläche sorgt nach Einbruch der Dunkelheit für Licht- und Schattenspiele. Als Kulisse dienen zwei Bäume, die den Umbau überlebt haben. Eine Inschrift umläuft eine der schmalen Seiten: »Alles kann durch das Licht verändert, deformiert oder eliminiert werden. Es ist genauso geschmeidig wie der Pinsel« — natürlich ein Gruber-Zitat. Renate Gruber, Frau des Fotosammlers und bekannt mit vielen Künstlern, Kulturschaffenden und Fotografen, schmiss bis vor kurzem noch regelmäßig Geburtstagspartys für ihren 2005 verstorbenen Gatten auf diesem Platz, der nach ihm benannt ist.

Andreas Hupke, Grünen-Politiker und seit 2004 Bezirksbürgermeister der Innenstadt, sind nicht nur die prominent besuchten Feiern im Kopf geblieben. »Sensationell« sei auch die Bürgerbeteiligung zur Umgestaltung gewesen. Stadtspitze und Bürger seien sich eigentlich einig gewesen, dass die Parkplätze verschwinden müssten. Verkehrsberuhigung für das ganze Quartier hätten sie sich damals vorstellen können. Ein dafür entwickeltes Konzept der Stadt gewann 2007 gar einen Preis. Am Ende ist es beim Platz geblieben, dessen abstrakte Gestaltungsidee heute von schmucklosen dunkelgrauen Pollern gegen die Autos der Lieferanten und Innenstadtbesucher verteidigt werden muss. Immerhin dafür reichte die Energie der Stadtgesellschaft, die sich hinter dem Entwurf versammelte. Den Parkplätzen hat kaum einer hinterhergetrauert. Eines der selten voll ausgelasteten Parkhäuser ist im ­selben Block zu finden.

Dass der Platz trotzdem nicht mitreißend wirkt, liegt vielleicht dann doch an seinem, nun ja, verkopften Entwurf. »Ein Stück Kunst« sei der Platz, sagt Hupke auf die Frage, ob man ihn heute nicht viel grüner anlegen würde. Da müsse man sich eben entscheiden. Der Platz wird zweifellos in Anspruch genommen. Die »grünen Wildsittiche« nutzen die Bäume gerne für eine Rast, heißt es auf Anfrage bei der Stadtverwaltung, und der Platz unter den Bäumen werde montags bis freitags gereinigt. Alle zwei Monate erfolgt eine Grundreinigung mit Hochdruck: Der helle Bodenbelag mache das erforderlich. »Mittags ist hier immer was los, dann wird hier gut gegessen«, sagt eine Beschäftigte, die am Platz arbeitet. Gleich mehrere Schaufenster präsentieren Hochzeitskleider mit Schleiern und Schleppen. Mutter und Tochter machen sich hier mit Brautmoden Konkurrenz. Daneben Herrenausstatter und Geschäfte für Trauringe: Die Ladenlokale im Erdgeschoss des ebenfalls von Wilhelm Riphahn konzipierten Gebäudes, das den Platz von der Nord-Süd-Fahrt trennt, ermöglichen Heiratswilligen die Komplettausstattung; die Adresse teilen sie sich übrigens mit dem Baubüro der Oper. Der L.-Fritz-Gruber-Platz dient auch schon mal als Bühne für eine Modenschau. Die Genehmigung dafür sei aber sehr schwierig zu bekommen gewesen, berichtet Hannelore Schulte von »Cinderella Brautmoden«. Sie sieht den Platz pragmatisch und misst ihn an seinem Nutzwert. Mehr Grünfläche hätte sie sich gewünscht. Weiße Steinquader ermöglichen zwar das Verweilen, aber fehlende Mülleimer signalisieren, dass Aufenthaltsqualität der Kunst untergeordnet wurde.

Die mag den Eingeweihten von großem Wert sein. Die Nutzer hinterlassen dann eben ihre Pizza-Kartons und Fastfood-Verpackungen auf dem Boden. »Für Kölner Verhältnisse ist das ein toller Platz. Eine unheimliche Aufwertung«, schwärmt Christl Drey vom Haus der Architektur. »Politisch ein großer Erfolg« damals. Die Architekturprofessorin erinnert daran, dass der Blick aus den riesigen Fenstern des Kolumbas in den ersten Jahren auf einen Parkplatz fiel. »Der Platz ist eigentlich unglaublich charmant«, findet Inka Vanstraelen. Sie leitet das Manufactum-Kaufhaus, das im Erdgeschoss des Disch-Hauses gegenüber als Kunden-Magnet wirkt. Vanstraelen betont das Potenzial, das im Quartier liege, und das es ihrer Meinung nach noch freizulegen gilt. Das Kolumba, Museum und Architektur-Highlight, zieht Touristen aus aller Welt an. Es steht auf den Resten einer Kirche, eines Konvents und anderer Relikte. Das Viertel, dessen Zentrum einst hier lag, ist heute nicht mehr als solches zu erkennen.

Der zurecht verschwundene Parkplatz dazwischen sei eine Schande gewesen, sagt Vanstraelen, die auch der Interessenvertretung der Händler im »Kolumba-Quartier« vorsteht. Mit der neuen Gestaltung aber hadert sie. Der Platz hätte ein Zentrum sein können, ein Kristallisationskern oder Identifikationspunkt vielleicht. »Als Treffpunkt ist er für uns aber nur schwer nutzbar«, sagt Vanstraelen und benutzt ebenfalls die Vokabel »Aufenthaltsqualität«, für sie das »Zauberwort der Zukunft in den Innenstädten«. Warum gibt es kein Café auf dem Platz? Ein paar Tische und ein Betreiber, der sich verantwortlich fühlt, würden einen großen Unterschied machen, ist Vanstraelen sich sicher. Das vegane Bistro »Sattgrün« belebt die nächste Ecke mühelos. Christl Drey vom Haus der Architektur würde zugestehen, dass der Platz, heute geplant, anders aussähe, auch in Bezug auf die »Frage der Begrünung, ­Versickerung von Regenwasser und das Stadtklima.«

Nicht weit ist auch das Museum für Angewandte Kunst. Das Stadtmuseum zieht ebenfalls ins Quartier: Im früheren Modehaus Sauer haben die Arbeiten für das auf unbestimmte Dauer angelegte Provisorium bereits begonnen. An Besuchern wird es künftig nicht mangeln. Mit ihnen dürfte folglich der Bedarf an Sitzgelegenheiten, Freiflächen und urbanem Grün steigen. Die Zeit der Autos in den engen Straßen der Innenstadt müsste dafür enden. In dieser Hinsicht könnte der L.-Fritz-Gruber-Platz ein Zugpferd sein für andere, ähnlich untergenutzte Plätze. Roland Schüler, Bezirkspolitiker aus Lindenthal, der im Kolumba-Quartier arbeitet, sieht darin gar den Sinn und Zweck der Umgestaltung: »Das Blech kann weg. Das ist ja keine Kunst.« Schüler nennt es »eine Unverschämtheit«, dass der Bürgersteig gegenüber Kolumba nicht längst schon eine Flaniermeile, sondern bis heute zugeparkt ist. Bezirksbürgermeister Andreas Hupke fallen schnell weitere Plätze in unmittelbarer Umgebung ein, die als solche noch nicht wirklich zu erkennen sind. Der Adolf-Kolping-Platz ist nicht weit. Um den Gürzenich finden sich mehrere Parkstreifen, die das Zeug hätten, »niveauvolles Sitzen« zu ermöglichen, wie Hupke es nennt. Klar ist für ihn aber auch, dass das in Köln dauern wird. »Die Verwaltung wird das erst angehen, wenn die Innenstadt insgesamt autofrei umgeplant wird«, so Hupkes Prognose. Es fehle schlicht am Personal. »Aber ich habe noch nicht resigniert«, so der Grünenpolitiker.