Körper außerhalb der Norm: »We Bodies« beim Urbäng Festival, Foto: Anna Breit

Der Körper ist ein billiger Koffer

Das »Urbäng Festival« in der Orangerie seziert den Körper — und schafft Begegnungen

»Der Körper ist ein billiger Koffer«, hat Lady Jaye einmal gesagt. Im Jahr 2000 hatte sie zusammen mit ihrem Partner Genesis Breyer P-Orridges das »Pandrogeny-Projekt« begonnen: Kosmetische ­Operationen, mit dem Ziel, sich so weit wie möglich zu ähneln.

Herausgekommen ist elf Jahre später einer der schönsten und traurigsten Liebesfilme aller Zeiten — und ja, vielleicht kann man auch so über den eigenen Körper denken: Dass er nicht mehr ist, als ein billiger Koffer. Das Urbäng Festival, das wie immer die Begegnung heraufbeschwört, das Zusammenkommen vieler Körper, bestenfalls bei gutem Wetter im Garten der Orangerie, entwirft ihn im diesjährigen Programm als Projektionsfläche und blickt auf ihn künstlerisch und immer auch sezierend.

Das fängt schon am Eröffnungs­abend an, genauer: mit »We Bodies«, einem Stück, das umstritten ist, seit es 2019 im Tanzhaus Zürich uraufgeführt wurde. Drei Performer*innen, ihre Körper allesamt außerhalb der Norm, so steht es im Programm, tanzen mit dem Monströsen in ihnen. Wobei der Begriff hier unbedingt kulturhistorisch verstanden werden sollte: Das Monster als das ausgestellte, begaffte Andere, das einem Wunder gleich die Idee der natürlichen Ordnung in Frage stellt. Und sie immer auch bestätigt? Mehrere Jahre dauerte die Arbeit am Stück. Der Prozess sei die ganze Zeit über wichtiger gewesen als das Ergebnis, sagte die Tänzerin Claire Vivianne Sobottke rückblickend.

Nackt (oder vielleicht lieber nicht) kommen bei »Haut — My Body is a stage« die drei Schauspiel­schüler*innen der Berliner Ernst-Busch-Hochschule auf die Bühne und untersuchen, wie es sich anfühlt, sich zur Schau zu stellen. In »Hope Hunt and the Ascension into Lazarus« blickt die nordirische Choreografin Oona Doherty hingegen auf fremde Körper, indem sie sich mit einem intensiven Solo dem maskulinen Kern der Arbeiterklasse von Belfast nähert. Anlass zur Begegnung gibt es die gesamten Festivaltage über, beim gemeinsamen Essen auf der Bühne, beim Kaffeeklatsch im Garten oder bei der queer-feministischen Zusammenkunft »Female Gaze?!«. Wohl tut das, nach den langen, irgendwie körperlosen Monaten im Lockdown, denn die Körper der anderen, die waren da oft nur auf den Bildschirmen flimmernde Pixel.