Bodo mit dem Bagger baggert hier nicht mehr: Cologneo-Bauareal an der Danzierstraße

Bauland ohne Bauen

Erst Abriss, dann Stillstand — was ist da los im ­Baugebiet Mülheim-Süd?

Am Anfang konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Bauunternehmer Christoph Gröner nutzte 2018 einen TV-Auftritt, um OB Henriette Reker unter Druck zu setzen. Er wollte mit seiner Baustelle auf dem ehemaligen Deutz-Areal ein paar Wochen früher ­starten. Heute, drei Jahre später, herrscht zwischen Mülheimer Hafen und Stegerwaldsiedlung eine eher schläfrige Ruhe. Gröner ist der einzige der beteiligten Investoren, der überhaupt Gebäude fertiggestellt hat. Doch auch seine Entscheidungen haben maßgeblichen Anteil daran, dass das versprochene Viertel mit Bürogebäuden, Hotels und Wohnungen auf sich warten lässt.

Marktversagen, Bürokratie, gesellschaftliche Konflikte: Im »­Mülheim-Süd« genannten Gebiet lässt sich beobachten, warum in einer wachsenden Stadt nicht ausreichend Wohnraum entsteht. Im Mülheimer Hafen ist etwa eine Werft angesiedelt. Die Inhaber klagen gegen die erteilten Bau­genehmi­gungen, weil sie um ihre Erlaubnis für den 24-Stunden-Betrieb fürchten. Für die meisten Baugebiete stehen die notwendigen politische Beschlüsse und Baugenehmigungen noch aus. Im nördlichen Teil des künftigen Viertels sorgen anscheinend Bedenken zum Hochwasserschutz für Verzögerungen. Und alle Eigentümer klagen über aufwendige Bodensanierungen in dem früheren Industriegebiet.

Immobilienkonzerne, die nicht bauen — auf diese Komplikation war man im Rathaus nicht vorbereitet

Am Otto-und-Langen-Quartier hat sich zudem ein grundsätzlicher Streit darüber entzündet, wer Stadtentwicklung betreiben darf. Bürger, Kultur­schaffende und Künstler fordern ein Modellprojekt, in dem sie die Gestaltung über­nehmen. Die Hoffnung: Mit dem angrenzenden Grundstück im ­Landesbesitz könnte die Öffentliche Hand eine wegweisende Quartiers­entwicklung ermöglichen. Der Verkauf an einen privaten Investor wurde vorerst unterbunden. Die Stadt soll, so ein Ratsbeschluss, in den Kauf­vertrag einsteigen.

Die CDU/FDP-Landesregierung hingegen will ihre Fläche nach wie vor meistbietend veräußern. Während sich die Ratsfraktionen offenbar darauf verlassen, dass die Stadt auch in diesen Vertrag einsteigen kann, sind andere skeptischer. Eine Initiative um den ehemaligen Grünen-Ratsherr Jörg Frank und den Architekten Bodo Marciniak hat sich mit eigenen Plänen in das Beteiligungsverfahren zur Umwidmung der beiden Grund­stücke eingebracht. Erst wenn der Rat diese oder ein ähnlich konkretes Konzept zur rechtlichen Grundlage für die künftige Bebauung macht, so ihr Argument, werden sie vor den Kräften des Marktes sicher sein. »Sonst besteht die Gefahr, dass das Übliche passiert«, sagt Frank und verweist auf die umliegenden Baufelder.

Drei davon, Cologneo I bis III genannt, gehörten ursprünglich Christoph Gröner. Ein weiteres hätte er 2017 gern ebenfalls gekauft, wurde jedoch überboten. Gröner behauptete damals, dass der Kaufpreis, den ein Konkurrent gezahlt hatte, keinen Spielraum lassen würde, um bezahlbare Wohnungen zu errichten.

Und tatsächlich geschah dann auch »das Übliche«. Das Grundstück samt Entwicklungsgesellschaft wurde Anfang 2021 weiterverkauft — wie in der Branche üblich unter Umgehung der Grunderwerbsteuer. Bis heute gibt es nur Computerbilder. Mit der Stadt sei man in »komplexen« Verhandlungen zu den baurechtlichen Vorgaben, heißt es vom neuen Eigentümer. Dem Vernehmen nach soll dieser versucht haben, sich von der für alle größeren Vorhaben geltenden Pflicht zu befreien, 30 Prozent Sozialwohnungen zu errichten.

Zum Üblichen gehört auch, dass die Grundstücke mit jedem Verkauf teurer werden, weil alle Beteiligten erwarten, dass die steigenden Immobilien­preise schon für genug Rendite sorgen werden. Norbert Fuchs, SPD-Politiker und Bezirksbürgermeister von ­Mülheim, ärgert das. »Es wird immer schwieriger, wenn solche Projekte weiterverkauft werden«, sagt er. Ursprünglich waren in Mülheim-Süd bis zu 5000 Wohnungen angepeilt. Fuchs will einen hohen Anteil Sozialwohnungen, klingt aber ernüchtert. Nicht nur die privaten Investoren scheinen sich schwer auf solche Ziele verpflichten zu lassen. »Dass das selbst bei einem Grundstück, das dem Land gehört, schwierig werden könnte, hätte ich mir nicht träumen lassen«, sagt Fuchs mit Blick auf das Otto-und-Langen-Quartier.

Selbst wenn alle Genehmigungen vorliegen, gibt es keine Garantie, dass auch so schnell wie möglich gebaut wird. Auf Gröners Teil von Cologneo I sind neue Gebäude entstanden. Den Musikclub Gebäude 9 und ein Atelier­haus hat er integriert. Für einen anderen Teil sowie für die Baufelder Cologneo II und III ist inzwischen die Adlergroup verantwortlich. Deren Kräne drehen sich aber schon länger nicht mehr. Ein Erdgeschoss an der Deutz-Mülheimer Straße verharrt seit Monaten im Rohbau.

Das Unternehmen ist in Luxemburg registriert, gehört zu den größten deutschen Immobilienkonzernen und sieht sich derzeit schwerer Kritik ausgesetzt: zu viele Schulden, zu hoch eingeschätzte Bilanzwerte. Mitte Oktober veröffentlichte der britische Leerverkäufer Fraser Perring, der an sinkenden Aktienkursen verdient, vernichtende Anschuldigungen. Hintermänner hätten den Konzern systematisch ausgehöhlt, das Geld der Anleger und Investoren sei in dunklen Kanälen verschwunden. Die Adlergroup weist das zurück. Ihre Aktie stürzte indes ab. Die Vorwürfe haben offenbar Gewicht. Perring gilt als Wirecard-Jäger. Er hatte früh auf den Absturz des deutschen Zahlungsdienstleisters gesetzt.

Die Adlergroup ist aus einer komplizierten Dreierfusion des Projekt­entwicklers Consus mit den Immobilienkonzernen Adler und Ado Properties hervorgegangen. Consus wiederum hatte schrittweise Gröners Anteile an der CG-Gruppe übernommen. Gröner selbst trat zunächst noch als Verantwortlicher auf, verließ Consus aber kurze Zeit später. Ob er aus freien Stücken ging, ist unklar.

Mit der Adlergroup sind auch die früheren Consus-Bestände in den Fokus der Leerverkäufer geraten. Perring behauptet, sie seien überbewertet. Anhaltspunkte findet er unter anderem in der Kölner Innenstadt. In der Stolkgasse liegt eine weitere Consus-Baustelle brach. In Kölner Zeitungen kam ein Auftragnehmer zu Wort, der auf unbezahlten Rechnungen sitzen geblieben war. Der Käufer des Projekts, die Bayerische Versorgungs­kammer, stieg schließlich vorzeitig aus. Die Adlergroup musste die Anzahlung zurückerstatten — für Perring ein Indiz, dass Kapital und Wille fehlen, um Bauvorhaben ­tatsächlich fertigzustellen.

Wenn Perring damit Recht hat: Könnte das auch für die Baustelle an der Deutz-Mülheimer Straße gelten, die Gröner die Verantwortung an die Adlergroup abgetreten hatte? Die Adlergroup macht die Pandemie und knappe Kapazitäten für die Verzögerungen verantwortlich. Es gibt aber auch andere Gründe. Die mit der Ausführung beauftragte Firma Kondor Wessels verließ die Baustelle, nachdem eine Zwischenrechnung entgegen der Absprachen nicht beglichen wurde — ein ungewöhnlicher Vorgang, heißt es aus dem niederländischen Bauunternehmen. Und auch hier hatte Consus das Projekt vorab verkauft. Die frühere Sparkassentochter Corpus Sireo, heute Teil von Swiss Life, wollte 2018 mehr als 240 Mio. Euro dafür bezahlen. Auf die Frage, ob der Vertrag noch Bestand hat, heißt es knapp: »Zum aktuellen Zeitpunkt« werde sich das Unternehmen weder zu Vertragsdetails noch zu »weiteren Planungen« äußern.

Immobilienkonzerne, die nicht bauen: eine weitere Komplikation, auf die man im Rathaus nicht vorbereitet war. Die Stadt hatte bislang keine Fristen für Baubeginn und Fertigstellung vereinbart. Das soll sich laut Presseamt nun ändern. Letztlich wäre das nicht nur im Interesse der Wohnungs­suchenden. Auch mancher Anleger könnte ruhiger schlafen, wenn seine ­Rendite tatsächlich mit Betongold abgesichert wäre.