Aus diesem Mund kommen keine Fremdworte: Daniel Bauer-Dahm

»Es erleichtert alles«

Daniel Bauer-Dahm von den Grünen redet im Rat so, dass alle ihn verstehen können

Herr Bauer-Dahm, Sie halten Ihre Reden im Stadtrat in Einfacher Sprache. Warum?

Das begann mit meinem Antrag im Juni. Gemeinsam haben wir im Rat beschlossen, dass die Verwaltung in der Außenkommunikation Einfache Sprache nutzt, jedenfalls langfristig. Klar war für mich, dass ich meine Rede dazu auch in Einfacher Sprache halten sollte und bin dabei geblieben.

Das bedeutet: einfacher Satzbau, kurze Sätze, möglichst keine Nebensätze und Fremdwörter...

Ja, und das schafft man, wenn man nachdenkt und sich bemüht. Auch in der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik bemühe ich mich, in Einfacher Sprache zu sprechen. Als Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Seniorinnen und Senioren geht es nicht immer.

Wie kamen Sie zum Thema?

Ich hatte als Friseurmeister auf Verwaltung umgeschult, bin seit einigen Jahren beim Landschaftsverband Rheinland. In meiner ­Ausbildung war ich oft im Bereich ­heil­pädagogischer Hilfen tätig. Da hab ich gelernt: Etwas einfach zu formulieren, ist zunächst mehr Aufwand. Aber mittelfristig erleichtert es alles, wenn Menschen alles ­verstehen.

»Ich will nicht pater­nalistisch wirken — um es mal in schwerer Sprache zu sagen«

Es gibt ja auch Leichte Sprache.

Das ist noch mal etwas anderes, die muss man lernen. Ich mache Fort­bildungen dazu, bin aber nicht zertifiziert. Bei Leichter Sprache wird unter anderem auch mit Piktogrammen gearbeitet. Mündlich macht es das sehr schwer. Für eine Rede im Rat ist Einfache Sprache sinnvoller.

Zu wem sprechen Sie eigentlich, wenn Sie im Rat reden? Die Ratsmitglieder könnten Ihnen dochgut auch in der üblichen Sprache folgen.

Wir haben mittlerweileden Live-Stream, die Mediathek — dadurch hat sich das Publikum erweitert. Ich möchte die Menschen da draußen erreichen, ohne, dass sie eine Übersetzungsleistung erbringen müssen. Das ist wichtig, um alle in Köln anzusprechen. Einfache Sprache ist zwar gedacht für Menschen mit geistiger Einschränkung, aber sie hilft auch Menschen, die älter sind, die Deutsch lernen, die nicht den Bildungshintergrund haben, um sich ein Wort wie »Gemeinwohlbilanzierung« zu erschließen.

Den Begriff haben die Grünen ­angeschleppt…

Einfache Sprache bedeutet nicht, dass man bestimmte ­Wörter nicht mehr benutzen darf. Man muss Sie aber erklären.

Welche Erfahrung machen Sie beim Gebrauch Einfacher Sprache?

Einfache Sprache ist weniger blumig, konzentriert sich auf das Wesentliche. Wenn etwas in Einfache Sprache umformuliert wird, merkt man erst, wie viele Nebensätze es gibt, die nur Floskeln und völlig irrelevant sind.

Die Politik ist voller Floskeln, viele Menschen schreckt das ab oder langweilt es. Sollte in der Politik mehr Einfache Sprache gesprochen werden?

Ich glaube, viele in der Politik fürchten, dass das weniger kompetent wirken würde. Aber mehr und mehr finden die Idee gut, zumindest in der sozial­politischen Sparte. Dass auch die Stadt Köln das grundsätzliche Ansinnen hat, sieht man am »Leitfaden für eine wertschätzende Kommunikation«, der im Frühjahr herauskam.

Der sorgte vor allem für Aufmerksamkeit, weil die Stadt damit das Gender­sternchen in ihren Veröffentlichungen und in der Kommunikation einführt.

Ja, aber nicht nur der Gender­star ist darin enthalten, sondern auch Ansätze, wie man etwas leichter ausdrücken kann.

Aber die sogenannte »Gendersensible Sprache« ist nicht einfacher. Das kritisieren zum Teil Initiativen von Menschen mit Behinderung.

Genderstar und Leichte Sprache sehe ich als die zwei Seiten einer Medaille, weil wir versuchen, allen Menschen wertschätzend gegenüberzutreten. Man kann in Einfacher Sprache durchaus den Genderstar nutzen. Man muss nur einmal am Anfang erklären, was das ist. In der Leichten Sprache geht es nicht, da ist der Star ein Lesehindernis. Dann nimmt man substantivierte Partizipien in der Mehrzahl und es geht — Mitarbeitende statt Mitarbeiter*innen. Man hat alle Menschen inkludiert und nicht jemanden ausgeschlossen. Es geht darum, alle mitzunehmen und allen zu ermöglichen, teilzuhaben.

Der Ausschuss, dem Sie vorstehen, heißt »Ausschuss für Soziales und Seniorinnen und Senioren« — kein Gendersternchen.

Ja, weil die Menschen, die hier vertreten sind, auf Leichte Sprache angewiesen sind — und die sollten das dann auch verstehen.

Und »Ausschuss für Soziales und alte Menschen« wäre diskriminierend?

Ja! Ich habe bei den Senior*­innen nachgefragt, und die wollten nicht als alte Menschen bezeichnet werden.

Glauben Sie, dass eine Sprache möglich ist, von der sich niemand diskriminiert fühlen kann?

Nie wird man allen gerecht werden. Es geht um ein stetiges Bemühen. Man fällt oft zurück in alte Muster, das geht mir ja auch so. Aber ich will mit gutem Beispiel vorangehen. Ich will nicht paternalistisch wirken — um es mal in schwerer Sprache zu sagen.