»Schnittvorlage«, 2009, Fotokopien auf Papier, 29,7 × 42 cm © Courtesy Marcel Odenbach und / and Galerie Gisela Capitain, Köln, VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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Macel Odenbach erhält den Wolfgang-Hahn-Preis 2021

Dass dem Kölner Medienkünstler Marcel Odenbach (*1953) der diesjährige Wolfgang-Hahn-Preis zugesprochen wird, darf man in jedweder Hinsicht als verdient bezeichnen. Dass er ihn erst jetzt erhält — nun ja, geschenkt. Dass jedoch die großen Überblicksschauen zu seinem vielschichtigen Werk in Tel Aviv, Bonn, Nürnberg, Wien und, soeben eröffnet, in Düsseldorf gefeiert wur­den, ruft doch noch mal die defizitäre Ausstellungssituation in Köln ins Bewusstsein. Gehörte doch gerade Marcel Odenbach zu den Mitstreitern für eine Kölner Kunsthalle.

Immerhin richtet das Ludwig Odenbach anlässlich der Preisvergabe eine exquisite Kabinettausstellung ein. Zu sehen ist ein Werkkomplex, der im Rahmen des Preises angekauft wurde und tiefe Einblicke in seine künstlerische Vor­gehensweise bietet. Bei den knapp 120 Blättern der »Schnittvorlagen« handelt es sich um bislang nie ­ausgestellte Bildcollagen. Sie bilden einen Ideenspeicher: Wimmelbildern gleich, ordnet Odenbach auf Din A3 Bögen ausgeschnittene Fragmente aus dem schier unerschöpflichen Fundus medial vermittelter Bilder aus Kultur und Politikzu erhellenden, thematisch sortierten Kombinationen.  Wohlwissend um die Verführungskraft der Bilder, nimmt Odenbach eine gesellschaftskritische Pers­pektive ein, die die ästhetisch-sinnliche Stärke von Bildern in Rech­nung stellt. Deutsche Ge­schich­te als unheilvolles Ineinanderwirken von unbewältigter Vergangenheit und politisch-gesellschaftlicher Gegenwart, Rassenkonflikte und die Diskriminierung von Minderheiten — das sind zentrale Themen seiner Arbeit.

Das Konvolut der Schnittvor­lagen, präsentiert an Wänden und in Vitrinen, macht deutlich: Erin­nerungen an die Vergangenheit sind keine an Tatsachen, sondern Erinnerungen an die Vorstellungen, die man sich von den Tatsachen gemacht hat. Will man jedoch den Zusammenhang dieser beein­druckenden Werkserie mit den opulenten, dabei überaus subtilen Film- und Videoarbeiten des Künstlers entdecken, kommt man um eine Fahrt zur großen Odenbach-Retrospektive nach Düsseldorf nicht herum.