Ohne Titel (Haltestelle Treiber Pfad), 2021 (Detail) Acryl auf Nessel, 230 × 400 cm (2 teilig), Foto: Jochen Arentzen, © Andreas Schulze / VG Bild-Kunst, Bonn, courtesy Sprüth Magers

Zwischen Eile und Langeweile

Andreas Schulze inszeniert in der ­Fuhrwerkswaage eine »Haltestelle«

»Haltestelle« lautet der Titel dieser Ausstellung, die in direkter Auseinandersetzung mit dem historischen Ort entstanden ist. Andreas Schulze (*1955) hat zentral eine Skulptur plat­ziert und farbintensive, großformatige Gemälde gehängt. Auf eng anei­nander gefügten Leinwänden entfaltet sich das immer menschenleere Bildgeschehen als ausgedehntes Panorama im lichten Innenraum der Industriehalle. Es breitet sich keine fortlaufende Erzählung aus, einzig die Abfolge der Motive erzeugt Spannung. Die malerische Zusammenführung der stilisierten, bisweilen zeichenhaft abstrahierten Formen verleiht der Installation einen modellhaften Charakter.

Erfahrbar wird sie beim Ab­schrei­ten der bühnenhaft arrangierten Abschnitte. Anfangs trifft man auf einen rustikal gezimmerten Bauzaun, über dem ein Streifen Himmel erscheint. Er steht in starkem Kontrast zur angrenzenden hellgelben glatten Fläche eines gleichmäßig gekachelten Wandstücks. Dessen dreieckige, durch scharf abgesetzte rote Umrisslinien betonte Form lässt an Effekte der Plakatmalerei oder Werbegrafik denken. Oft treffen in Schulzes Kompositionen flächig gestaltete Bereiche auf Bildausschnitte, die einen tiefenperspektivischen Illu­sionismus andeuten. So befindet sich im Anschluss an die kleinteilig strukturierte Kachelfläche der »Aus­blick« auf eine betongraue, von den zerzausten Spitzen kümmerlicher Sträucher gesäumte Unterführung. Fenster oder Fototapete? Am rechten Bildrand erhebt sich die Gestalt einer zum Halten gekommenen Lok.

Die Ausstattung des Bildraums bestimmt ein spielerischer Umgang mit Versatzstücken, die ausschnitthaft und mitunter uneindeutig blei­ben. Schulzes Formensprache liegt zwar die radikal reduzierte Darstellung alltäglicher Gegenstände zu­grun­de, allerdings ist sie weniger der naturgetreuen Wiedergabe verpflichtet als vielmehr der Vorführung von Mustern, Strukturen, Oberflächen, aber auch von sich gegeneinander verschiebenden Raumeindrücken. Die mit vielfältigen malerischen Techniken vorgenommenen sprunghaften Perspektivwechsel, die abrupten Übergänge zwischen Außen- und Innenraum verbildlichen die Haltestelle als einen Ort gegenläufiger Dynamik. Es ist ein Ort, an dem Bewegung und Stillstand zwischen Ankunft und Abfahrt, Ein- und Ausstieg, Lange­weile und Eile zusammenfallen.

Andreas Schulze (*1955) lebt in Köln und ist Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie