Boshafte Texte über eine boshafte Gesellschaft: Lisa Roy. Foto: Max Roy

Grüße aus der Ungemütlichkeit

Brinkmann-Stipendiatin Lisa Roy gibt der Boshaftigkeit eine Form

»Diese Stadt habe ich immer ge­hasst/seitdem ich hier bin«, unvergessen sind die Tiraden des Dichters und Literaten Rolf-Dieter Brinkmann gegen Köln. Vielleicht aber hätte es ihm gefallen, dass die Stadt so viel Selbstironie besitzt, ihr Nachwuchsstipendium für Literatur nach einem ihrer größten Kritiker zu benennen.

Heute werden junge Kölner Autor*innen gewürdigt, die einen eigenen Gestus, eine eigene Sprache entwickeln. Nicht jede*r muss so klingen wie der Namenspatron — es könnte aber helfen. Die diesjährige Preisträgerin, Lisa Roy, ist eine Meisterin des Bitterbösen. Roy, 1990 in Leipzig geboren, in Duisburg aufgewachsen und ehemalige Studentin an der Kunsthochschule für Medien, hat keine Probleme damit, ihre Figuren behände den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. In einem Youtube-Video liest sie einige Zeilen aus ihrem Romanvorhaben »Brennpunkt«, für das sie das Stipendium erhält. Es geht um zwei Mädchen, die verschwunden sind. Mit einiger Gemeinheit und jeder Menge Realis­mus resümiert Roy: »Was sich nicht als Kulisse eignete: Ruhrgebiets-Tristesse, Nachkriegsbauten, die nicht die Energie hatten, Hochhäuser zu werden und dürre oder fette (nimm das nicht per­sönlich, aber es war nie etwas dazwischen) Alleinerziehende, die sich mit künstlichen Fingernägeln am Nasenpiercing rumfummelten und defensiv wirkten, sobald sie den Mund aufmachten.« Boshaft, ganz sicher.

Auch das Personal ihrer Kurzgeschichten kommt selten ungeschoren davon. Gleichsam weiß Lisa Roy die Desavouierten und Abgehangenen auch zu würdigen, ihnen einen wohlverdienten Platz in der Literatur zu geben und sie eben nicht aus­zublenden — trotz des Elends und des fehlenden Chics. Das ist in einer häufig glattpolierten Szene, die sich entweder auf bürger­liche Familiendramen oder cool-ironischen l’art pour l’art spezialisiert hat, eine erfrischende Position. Roy ka­priziert sich nicht lange, sucht keine Ausflüchte: Die Gesellschaft, und nicht etwa der Text, ist oftmals viel boshafter als wir eingestehen wollen. Noch dauert es, bis wir den Roman in Händen halten dürfen. Aber jetzt schon können wir sicher sein, dass Brinkmann sich gefreut hätte über diese würdige Preisträgerin.

Do 9.12., Literaturhaus, 20 Uhr, Eintritt frei,
Anmeldung unter brinkmann-stipendium@stadt-koeln.de