Unterstützung für das Opfer: Die Initiative »Tatort Porz« vor dem Landgericht

Das Opfer wird zum Täter

Der Prozess gegen den ehemaligen Porzer CDU-Politiker Hans-Josef Bähner hat begonnen

»Mein Mandant fühlt sich mittlerweile als Angeklagter.« Als die Rechtsanwältin Edith Lunnebach diesen Satz sagte, war der erste Prozesstag im Landgericht Köln fast zu Ende. Aber Lunnebachs Mandant saß nicht auf der Anklagebank: Es ist Krys M. In der Nacht auf den 30. Dezember 2019 wurde er durch einen Schuss in die Schulter verletzt, als er mit drei Freunden am Rheinufer in Porz abhing, um dort Wodka zu trinken. Diesen Schuss soll der ehemalige CDU-Politiker Hans-Josef Bähner abgegeben haben, der nun, knapp zwei Jahre später, auf der Anklagebank sitzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Körperverletzung, illegalen Waffenbesitz und Beleidigung vor. Krys M. ist Nebenkläger und verbrachte am ersten Prozesstag mehrere Stunden im Zeugenstand.

Den Auftakt machte jedoch Bähners Anwalt Mutlu Günal, der eine Erklärung seines Mandanten verlas. In der Tatnacht sei Bähner, nachdem er gemeinsam mit seiner Frau Wein und Gin Tonic getrunken habe, wegen Lärms aus dem Haus gegangen und habe vier junge Männer gesehen. Einer von ihnen habe nach ihm geschlagen, Bähner habe sich dabei eine Verletzung an der Hand zugezogen. Weil er in der Vergangenheit schon einmal an seiner Grundstücksmauer bedroht geworden sei, habe er eine Pistole bei sich gehabt, die er — ohne die dafür nötige Lizenz — von einem krebskranken Freund erhalten habe. Beim Versuch, einen Warnschuss abzugeben, habe Krys M. nach seinem Arm geschlagen. Dabei habe sich der Schuss gelöst, der M. an der Schulter getroffen hat.

Wenige Tage nach dem Vorfall wurde Bähners Name öffentlich, ebenso, dass er auf seinem Facebook-Profil »Bilderberger« hinter der Flüchtlingskrise vermutete und Inhalte des rechtspopulistischen Portals Journalistenwatch teilte. In der Verhandlung erklärte er, nichts von der politischen Ausrichtung des Portals gewusst zu haben. Und auch wenn er die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisch sehe, habe er sich in Porz für den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete eingesetzt.

Bähners Einlassungen zu seiner politischen Haltung haben einen Grund. Seit 2015 muss eine »rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende« Gesinnung bei der Strafzumessung »besonders« berücksichtigt werden. Die vier Zeugen hatten gegenüber der Polizei erklärt, dass Bähner sie mit Worten wie »Scheiß-Ausländer« oder »Dreckspack« beleidigt habe. Bähner bestreitet das.

Die Strategie von Bähners Verteidigung wurde am ersten Tag deutlich: den illegalen Waffenbesitz zugeben, die Körperverletzung zur Notwehr deklarieren und die Beleidigung abstreiten. Denn bei den ersten Vernehmungen, direkt nach der Tat, hatten die vier jungen Männer die Beleidigungen nicht im Wortlaut benannt. Für Bähners Verteidiger Mutlu Günal ein eindeutiger Beleg: Die vier Männer hätten sich abgesprochen, Krys M. habe »die ganze Zeit gelogen«. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass die polnische Herkunft von M. dazu führe, dass er als »Ausländer« wahrgenommen wird.

In seiner Befragung schildert Krys M. jedoch Erlebnisse aus seiner Kindheit und Jugend, in denen er wegen seiner Herkunft aufgezogen oder beleidigt wurde. Auch wird deutlich, dass er schon bei seiner ersten Vernehmung nach der Tat »rassistische Beleidigungen« erwähnte, sie jedoch erst zehn Tage später konkretisiert hat. Auch zwei seiner Freunde, die am zweiten Prozesstag befragt wurden, hielten daran fest, dass Bähner sie rassistisch beleidigt habe.

Verteidiger Günal hielt ihnen vor, dass sie alle unterschiedliche Beleidigungen gehört hätten. So habe einer von ihnen im Verhör gesagt, dass Bähner »Verpisst euch, ihr Pack« gerufen habe und ein anderer »Verzieht euch, ihr Drecksschweine«. Aber ist das ein Beweis für eine Absprache? In einer anderen Frage sind ihre Aussagen kongruent: Keiner von ihnen will gesehen haben, dass sich Bähner und Krys M. berührt haben.

Welches Bild sich das Gericht vom Tathergang gemacht haben wird, steht im Dezember fest. Dann soll nach fünf Verhandlungstagen das Urteil verkündet werden. Hans-Josef Bähner wird dazu vermutlich wenig beitragen. Er und seine Frau haben angekündigt, von ihrem Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch zu machen.