Installationsansicht Bonner Kunstverein, 2021 Foto: Mareike Tocha

Präzision im Flüchtigen

Der Bonner Kunstverein entdeckt für uns den Avantgardisten David Medalla

Der Blick in die große Halle des Bonner Kunstvereins wird von einer Holztreppe versperrt. Links öffnet sich der leere Raum, nur durch einen fensterartigen Ausschnitt in der Wand erhascht man einen Blick auf den dahinter liegenden Bereich. Ein kleines Holzschiff ist auf dem Sims platziert, mehr gibt es erstmal nicht zu sehen.

Die Ausstellung »Parables of Friendship«, die den kürzlich verstorbenen und in Deutschland zu Unrecht noch wenig bekannten Avantgarde-Künstler David Medalla würdigt, beginnt behutsam und leise, ganz anders als sein unheimlich vielseitiges Werk, das sich hinter der Wand entfaltet.  Medalla, 1942 in Manila geboren, vor einem Jahr verstorben, war Maler, Schriftsteller, Aktivist, Philosoph, arbeitete mit den unterschiedlichsten Medien, von Zeichnungen über Performances bis Skulptur. Er hinterließ ein riesiges Archiv. Erstmals in Europa ist sein Werk nun in einer Überblicksausstellung erfahrbar.

Medalla führte ein nomadisches Leben, das ihn von den Philippinen in den 60er Jahren nach Marseille und London, später nach Paris, Venedig, New York oder Berlin führte. Immer und überall versuchte er, mit seiner Kunst einen Austausch zu initiieren, Kunst und Leben ineinanderfließen zu lassen. Er war Teil von Harald Szeemanns documenta 5 (1972) und Okwui Enwezors 2. Johannesburg Biennale (1997). Seine Themen, die seine aktivistische und künstlerische Arbeit wie auch sein Privatleben antrieben, sind Ökologie, Mobilität, Gemeinschaft, kulturelle Identität und Sexualität.

Medallas Werke entwickelten sich oft prozesshaft weiter, involvierten das Publikum und spielten sich selten in einem musealen Raum ab. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf hat die Kuratorin und neue Direktorin des Bonner Kunstvereins Fatima Hellberg zusammen mit Steven Cairns vom Museion Bozen und dem Künstler und Theaterregisseur Michael Kleine eine Form der Inszenierung gesucht, die dem besonderen Werk gerecht werden kann.

Man merkt, dass hier ein mit Bühnen vertrauter Geist am Werk war, jedes noch so flüchtige und »arme« Papier hat seinen Platz im richtigen Licht, und die Architektur, die zugleich temporär und einfach daherkommt, mit Baubühnen und billigem Sperrholz statt Glas und Glanz, betont den Gedanken des stets in Bewegung bleibenden Künstlers, der sich dabei immer ein Auge für die Schönheit des Moments und die Sinnlichkeit der Welt bewahrte. Eine gebührende und absolut lohnende Wiederentdeckung.