Bild und Betrachter: Verblüffende Ähnlichkeiten

»Bühne für jeden«

Die in Köln lebende Filmemacherin Corinna Belz über ihre Doku »In den Uffizien«

Sie und Ihr Co-Regisseur Enrique Sánchez Lansch zeigen viel: Die Zuschauer:innen lernen die ganze Maschinerie der Uffizien kennen und bekommen seltene Einblicke. Was hatten Sie vorher für ein Verhältnis zu den Uffizien und der Renaissance-Malerei?

Ich hatte das Verhältnis eines Besuchers. Ich war das erste Mal mit 17 mit der Schulklasse in Florenz. Später habe ich Kunstgeschichte studiert und da ist es ganz selbstverständlich, dass man sich mit der Renaissance auseinandersetzt.  Die Idee der Renaissance war ja, dass das Menschenbild individualisiert ist. Die Künst­ler:innen fingen an, ihre Bilder überhaupt zu signieren. Die Uffizien sind chronologisch aufgebaut. Und so wird es immer individueller,  von Giotto bis hin zu Botticelli oder Caravaggio. Deren Gesichter haben etwas ganz Gegenwärtiges und ähneln manchmal auf ganz verblüffende Weise den Zuschauer:innen, die ihnen gegenüberstehen.

Die Uffizien waren eine Bühne für Propaganda und Selbstdarstellung. Wie ist das heute? Wir sehen Szenen, in denen reiche Geldgeber vom Direktor eine Exklusivführung bekommen …

In gewissem Sinne sind die Uffizien für jeden eine Bühne, der dort eintritt. Es ist ja  ein Phänomen, dass die Besuche­r:innen sich selber vor den Bildern fotografieren — natürlich haben die einen anderen Status als Geldgeber oder Künstler:innen, die dort ausstellen. So ein Museum ist ein Spiegel der Gesellschaft und kein egalitäres utopisches Wunderland.  Das ist ja auch das Wunderbare an Museen, dass alle gesellschaftlichen Brüche sich darin und an den Bildern ab­­lesen lassen.

Wie wurde gedreht?

Wir sind elf Mal dorthin gefahren. Beim ersten Block waren wir drei Wochen da. Dabei haben sich gewisse Themen ergeben, die wir danach dann weiter verfolgt haben. Insgesamt hatten wir ungefähr 50 Drehtage —  was eine Menge ist. Wir haben  auch vieles gedreht, was wir dann in den Film nicht integrieren konnten. Gerade in einem Museum ist  ja ein gewisser Atem so wichtig — denn das ist ja das, was das Museum auszeichnet. Ich denke manchmal, wenn der Flaneur oder die Passane irgendwo überlebt hat, dann im Museum. Dort ist  man nicht in ein dramaturgisches Konzept gezwungen, sondern bestimmt selber, wo man stehen bleibt. Im Film ist das nicht möglich. Diese Faszination des Einzelbildes und des Betrachters, der seine Aufmerksamkeit selber einteilt und dem Bild schenkt, solange er gerne möchte, die existiert in den anderen Unterhaltungsange­boten überhaupt nicht.

D 2021, R: Corinna Belz,
Enrique Sánchez Lansch,
96 Min., Start: 25.11.,
Filmkritik auf Seite 63