»Tearoom«: Demokratie des Begehrens

Frauen & Film, Wahnsinn & Gesellschaft

out of the past

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden vorgestellt von Olaf Möller

Das Japanische Kulturinstitut führt im Dezember sein Vormonatsprogramm mit Filmen von Naruse Mikio, basierend auf Drehbüchern der Autorinnen Tanaka Sumie und Mizuko Yōko fort. Auch der Filmclub 813 macht nun in Frauen und Film — allerdings in dieser Tage gewohnt tapsiger Weise: exzellente Auswahl, grenzdepperte Präsentation. Auf die Gefahr hin, als Spaßbremse zu gelten: Ein umfangreiches Programm mit fast dreißig Kurzfilmen herrenwitzig »Animierdamen« zu nennen, ist respektlos und peinlich — ein Fauxpas, in dem der Kern des 813-Problems sichtbar wird: selbstzufriedene Wurschtigkeit und eine Unfähigkeit, über den eigenen Lausbuben­tellerrand hinauszuschauen. Ist ja völlig richtig, sich dem Kulturbourgeois-Formalismus von Häusern wie dem Kölnischen Kunstverein entziehen zu wollen. Aber doch bitte nicht mit einer ähnlich hohlen kleinbürger­lichen Alterna(t)ivlingsattitüde! Musste mal angemerkt werden, auch wenn für die Filme gilt: Alle unbedingt gucken! Suzan Pitt und Sally Cruikshank, Mary Ellen Bute, Irena Dodalová und Evelyn Lambart, Lotte Reinige und Hermína Týrlová und Aleksandra Snežko-Blockaja sind unserer inbrünstigen Verehrung wert!

Nicht alt oder gar historisch, aber durchaus sehenswert ist so einiges, was bei »Videonale Scope #9« unter der Reihenüberschrift »Wahnsinn & Gesellschaft« gezeigt wird. Ein absolutes Muss ist William E. Jones’ »Tearoom« (2007), eine Beweisaufnahme der eigenen Art: Heimlich gedrehte Polizeibilder einer von Schwulen zum Cruisen übernommenen öffentlichen Toilette, die ursprünglich als Asservate in Prozessen verwendet wurden, werden nun zum Zeugnis einer geheimen Demokratie des Begehrens, wenn Männer über alle Klassen- und Ethnien-Zugehörigkeiten hinweg miteinander vögeln. Während »Tearoom« Arte povera vom Extremen ist, besticht der ursprünglich für VR gestaltete »We Are In Hell When We Hurt Each Other« durch Jacolby Satterwhites bestbekannten Maximalismus: Bilder und Klänge unterschiedlichster Provenienz finden durchmischt und geschichtet in einem digital-animationsschweren AV-Utopia zusammen.

Alle Infos zu »Videonale.Scope #9: Wahnsinn und Gesellschaft«,
Mi 15.12. – Sa 18.12. in diversen Kölner Kinos auf verein.videonale.org.
Infos zu den Programmen des Japanischen Kulturinstituts und
des Filmclub 813 auf jki.de und filmclub-813.de