Keine überflüssigen Dialoge

Adam

Maryam Touzanis schnörkelloses Kammerspiel umschifft jegliche Klischees

 

Filme über Schwangere und solche über Nahrungszubereitung haben oft etwas Widersprüchliches: ein naives Draufglotzen auf gehende Teige und schwellende Bäuche, das ein Geheimnis unterstellt und trotzdem immer schon alles weiß, untermalt von dramatischen Streichern, weil so Frauenzeugs ja auch ein bisschen schwierig ist, aber eben auch schön, wenn’s gelingt. Darauf einen Aperol-Spritz.

Nun liest sich der Plot von »Adam« so, als würden diese beiden Motive nicht nur zusammengerührt, sondern auch noch mit einem dritten Wohlfühlkino-Thema vertackert: Frauensolidarität. Dabei beweist Maryam Touzanis marokkanischer Oscar-Beitrag von 2020 schon in seinen ersten spannungsgeladenen Sekunden, dass er vom gewölbten Bauch erst einmal genauso wenig wissen will wie die Schwangere selbst: Die Kamera folgt ihr strikt auf Augenhöhe. Samia (Nisrin Erradi) sucht Arbeit. Sie schlurft mit der miesen Laune eines wirklich übermüdeten Menschen in den Gassen Casablancas von Tür zu Tür. Immer wieder ist zu hören, dass sie »in ihrem Zustand« doch keine Hilfe sei. Ihren »Zustand« erkennt man also zunächst nur an den Reaktionen der Umwelt, sie selbst würde ihn offenkundig am liebsten auch ausblenden. Doch irgendwo muss sie ja schlafen.

Kommen wir also zum Thema Frauensolidarität. Touzani interessiert zuallererst deren Unmöglichkeit in einer zutiefst patriarchalen Gesellschaft, in der die einzelnen Männer aber durchweg freundlich und respektvoll sind. Die verwitwete und verhärtete Bäckerin Abla (Lubna Azabal) weist die Unbekannte also erst einmal ab. Legt sich schlafen, obwohl sie sieht, dass die andere buchstäblich auf der Straße sitzt. Es ist eben nicht so, dass eine Alleinerziehende darauf wartet, mit einer dahergelaufenen Hochschwangeren eine lustige Patchwork-Familie zu gründen, nur weil es dem Arthouse-Kino gefällt. »Die Leute tratschen«, sagt sie.

Man einigt sich auf eine Verbindung auf Zeit: Samia hilft backen und darf bis zur nächsten Frist bleiben. Bis zum Abendessen. Bis zur Geburt. Bis morgen. Vielleicht wollte ja auch Gott nicht gleich eine ganze Woche durchschuften. Aber als Himmel und Erde schon mal da waren, hing er halt noch einen Tag ran. Und noch einen. So hält dieses souverän von überflüssigen Dialogen und dramaturgischen Vorhersehbarkeiten entschlackte Kammerspiel mit Close-ups auf die gegensätzlichen Gesichter bis zum Schluss die Spannung und erzählt dann doch von dem, was der Titel andeutet: vom Verlebendigen, vom Erschaffen und vom Beseelen.

MAR/F 2019, R: Maryam Touzani,
D: Lubna Azabal, Nisrin Erradi, Douae Belkhaouda, 98 Min., Start: 9.12.