Präzise und grandios unterhaltend: nö Theater, Foto: Klaudius Dziuk

Die deutsche Gefahrenlage

Farce und Katastrophe: Das nö-Theater mit dem Hannibal-Komplex

Da stehen sie, die drei Frauen, mit ihren gelb-rot-schwarzen Socken und beigen Tarnklamotten, und sehen so harmlos und freundlich aus. Und doch verwandeln sich Julia Knorst, Anna Katharina Müller und Asta Nechajute im Laufe des Abends immer mehr in Paramilitärs, mit Sturmhauben, Kalaschnikows, Munitionsgürteln. Mit lässigem Frauenpower — und manch instagram-tauglicher Pose, etwa das lässige Werfen des wallenden Haares bei den militärischen Ertüchtigungsübungen — führen sie die Lächerlichkeit des Abenteuerspielplatz-Machismus von rechtsextremen Männerbünden vor und lassen doch stets deren Gruseligkeit und Menschenverachtung durchschimmern.

Souverän werfen sie sich als drei Powergirls die Bälle zu, spielen wahlweise die Netzwerk-Initiatoren, dumpfe, aber doch aufmerksame Polizisten oder Franco A. nach, jenen Soldaten, der sich erfolgreich als syrischer Flüchtling ausgab. Allein Letzeres ist eine solche Absurdität der Wirklichkeit, dass sie einfach nach Bühnendarstellung schreit. Die drei zeigen, wie die Netzwerkbünde in der Freizeit in heiligen Rambo-Ritualen mit Schweineköpfen werfen und sich mit geheimen Waffenlagern und Schießübungen auf den Tag X vorbereiten, den sie am liebsten selbst herbeiführen würden. Zum Schluss bleibt der Silikon-Schweinekopf mit Ritterkappe und Deutschlandfahne traurig grinsend  auf der Bühne zurück.

In welch perfider Weise solche geheimen Netzwerke Deutschland — und vor allen Dingen Militär und Polizeiapparat — feinverzweigt durchziehen und infiltrieren, dass die vermeintliche Enttarnung von »Uniter«, oder »Hannibal« nur die Spitze des Eisbergs war, das zeigt das nö-Theater diesmal mit Regisseur Asim Odobasic und den total coolen Schauspielerinnen meisterhaft. Auf den grundlegenden taz-Recherchen basiert der Abend, wie immer ist das nö-Theater aber selbst noch weitergegangen, zeigt LKA-Fotos von Munitionsgärten, fasst bildlich zusammen, wie das Jahr 2015 der Auslöser für die vermeintliche »Gefährdungslage« war, erwähnt die Nachfolge-Netzwerke und zeigt auf, wie etwa einer der Uniter-Gründer mit Michèle Kiesewetter Kontakt hatte, der vom NSU ermordeten Polizistin (deren Todesumstände immer noch nicht aufgeklärt sind).

Wie immer beim Nö-Theater liegt unter der komödiantischen Zuspitzung stets ein gerütteltes Maß an Entsetzen: Nichts weniger als eine Schattenarmee ist hier am Werk, die auf die Zerstörung demokratischer Institutionen zielt. Das hier ist Schulstoff, Oberstufen müssen das sehen. Es ist eine präzise — und nebenbei grandios unterhaltsame — Zusammenfassung einer ausufernden und sehr deutschen Gefahrenlage.