Karneval ≠ Wunschkonzert

Den Sitzungskarneval abzusagen, ist zu wenig

Der Sitzungskarneval fällt aus. Das hat das Festkomitee Mitte Dezember verkündet. Es ist eine gute Entscheidung in der schlechten Gesamtlage der Corona-Pandemie. Ein Großteil der Karnevals­szene trägt sie mit, auch das ist erfreulich — und unerwartet.

Denn der institutionalisierte Karneval hat sich in den vergangenen Wochen als stur und manipulativ gegenüber der Öffentlichkeit präsentiert. Als Düsseldorf seinen Rosenmontagszug aufgrund der Pandemie in den Mai verlegte, wurde das vom Festkomitee Kölner Karneval als »Verschiebung aus kommerziellen Gründe« denunziert. Dasselbe Festkomitee wirbt jedoch immer mit der Bedeutung der Session für die Kölner Wirtschaft — hinter einem »carnival as usual« stecken also erst recht kommerzielle Interessen.

Und der 11.11.? Trotz überforderten Ordnungspersonals und einer zeitweiligen Sperrung der Zülpicher Straße habe es keinen signifikanten Anstieg der Infektionen gegeben, sagt die Stadt. Letztlich bedeutet das: Die Infektionszahlen sind »nur« wie erwartet gestiegen. Wie zuverlässig diese Aussage im Angesicht der andauernden Nachmeldungen von Corona-Zahlen für Köln überhaupt sein kann, ist eine Debatte, die nicht geführt wurde. Zynisch ist sie angesichts der ­vollen Intensivstationen ohnehin.

Solche Tricks verfangen bei uns Kölner*innen, weil Stadt und Karnevalsinstitutionen zum Durchsetzen ihrer Inte­ressen unsere Wünsche bedienen wollen. Aber das Erfüllen von Wünschen ist etwas anderes als die Befriedigung von Bedürfnissen. Wir alle wünschen uns, so schnell wie möglich wieder so zu feiern, wie das vor der Pandemie der Fall gewesen ist. Warum auch nicht? Ohne Angst vor Ansteckung andere Menschen zu treffen und dabei die Zeit zu vergessen — das sind Bedürfnisse, die gerade zu oft vernachlässigt werden. Der Anstieg psychischer Krankheiten in der Pandemie dürfte auch damit zu tun haben. Aber um diese Bedürfnisse bald wieder befriedigen zu können, werden wir in der momentanen Lage die Erfüllung unserer Wünsche hinten anstellen müssen.

Und genau das sollten wir auch von Stadt und Festkomittee einfordern: Wir wollen wieder feiern, und zwar oft und unbekümmert. Und im Angesicht neuer Virusmutanten und einer zu niedrigen Impfquote ist der erste Schritt dazu: Verlegt den Straßenkarneval in die warme Jahreszeit. Und verschont uns bitte bis dahin mit schlechten Ausreden.