Lassen sich nicht verdrängen: Günter Bell (links) mit Reinhold Goss, Anja Dähler und Jürgen Witsch von »Severinsviertel erhalten«

Die Stadt bittet um Hinweise

Initiativen für bezahlbares Wohnen schließen sich stadtweit zusammen. Sie wollen mehr Druck auf Stadt und Politik ausüben

Der Name ist sperrig. Aber wer sich wohnungspolitisch engagiert, dem geht er leicht über die Lippen. »Soziale Erhaltungssatzung«, ein Begriff aus dem Baugesetzbuch, bezeichnet ein Instrument, mit dem Städte verhindern können, dass in bestimmten Gebieten Mietwohnungen teurer werden, indem sie vom Eigentümer etwa modernisiert oder mehrere Wohnungen zusammengelegt werden.

Dafür muss es zunächst einen sogenannten Aufstellungsbeschluss geben. Wird der in einer Bezirksvertretung beschlossen, gibt das Amt für Stadtentwicklung ein Gutachten in Auftrag, ob tatsächlich eine Verdrängung der Bewohner durch steigende Mieten stattfindet. Ist das der Fall, folgt ein Satzungsbeschluss. Und fortan müssen Miet­erhöhungen vom Amt genehmigt werden. Seit 2020 ist das so im Severinsviertel. Aber es ist erst der zweite Satzungsbeschluss nach 1996 in der Stegerwaldsiedlung.

Vor allem in der Innen­stadt, aber auch in Mülheim, Sülz und Nippes gibt es Tendenzen zur Verdrängung

In den Bezirksvertretungen gibt es angesichts steigender Mieten nun vermehrt Beschlüsse, um den Schutz der Mieterinnen und Mieter in die Wege zu leiten: Gerade wurde ein Aufstellungsbeschluss für das Rathenauviertel gefasst, und für den Osten von Ehrenfeld ist einer geplant. Zudem wird wohl bald der Satzungsbeschluss für den Südwesten von Mülheim folgen. Überall haben sich Initiativen gegründet, um in ihren Veedeln Verdrängung durch Mietsteigerungen zu verhindern. Soziale Erhaltungssatzungen sind ein Mittel.

Günter Bell, der auch Fraktions­geschäftsführer der Linken im Stadt­rat ist, koordiniert derzeit mit Mitgliedern der Initiative »Südstadt erhalten« einen stadtweiten Zusam­­menschluss dieser Initiativen. Er kritisiert die Leitung des Amts für Stadtentwicklung, aber auch den bisherigen Stadtentwicklungsdezernenten Markus Greitemann. Als CDU-Mitglied habe er kein gesteigertes Interesse habe, den Mieterschutz gegenüber den Wohnungseigentümern zu stärken, so Bell. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker treibe das Thema nicht an. »Das läuft alles im Schneckentempo«, sagt Bell. Hinzu komme, dass niemand wisse, nach welchen Kriterien Veedel von der Stadt ausgewählt würden und wo überhauopt Untersuchungen unabhängig politischer Beschlüsse liefen. »Das ist völlig instransparent«, sagt Bell »Eigentlich hat die Politik beschlossen, regelmäßig über den Stand der Untersuchungen informiert zu werden, aber das geschieht nicht. Wie kommen die Prioritäten zustande?«

Tatsächlich sind viele Veedel in der Diskussion. Vor allem in der Innenstadt, etwa der Eigelstein, das Griechenmarktviertel, aber auch Deutz. Doch auch in Mülheim, Sülz und ­Nippes zeigen sich Tendenzen zur Verdrängung. Die Linke im Stadtrat fordert, dass es so viele Soziale Erhaltungssatzungen geben sollte, dass 25 Prozent aller Mieterinnen und Mieter davon profitieren. Davon ist Köln weit entfernt.

»Soziale Erhaltungssatzungen können nie eine Mietpreisbremse oder ähnliches ersetzen, es ist ein Instrument des Städtebaus, nicht der Mietpreispolitik«, sagt Brigitte Scholz vom Amt für Stadtentwicklung und Statistik. »Aber es ist geeignet, um Verdrängung zu verhindern und Aufwertungsprozesse zu steuern und sozial verträglich zu gestalten.«

Warum geht es dann im Amt so langsam voran, wie Kritiker fin­­den? Amtsleiterin Scholz sagt, man arbeite vor allem »auf der Grund­lage der Beschlüsse der Bezirks­vertretungen«. Aber das Amt untersuche auch die Entwicklung im Stadtgebiet. »Ein dafür vorgesehenes Indikatoren-System wird zurzeit überprüft und möglicherweise angepasst.« Zudem seien Indika­toren sind nicht immer in allen Aspekten aussagekräftig. »Die ­Hinweise aus den Bezirken decken sich jedoch häufig mit den statistischen Befunden. Wir sind daher auch auf Hinweise aus den Bezirken angewiesen.«  

Aber nicht mangelnde Untersuchungen von Seiten der Stadtverwaltung kritisieren die Initiativen. Im Severinsviertel, wo es seit 2020 den Satzungsbeschluss gibt, seien die Bewohner nicht ausreichend darüber informiert worden. Eine von der Initiative »Severinsviertel erhalten« geforderte Beratungsstelle im Veedel wird es nicht geben. »Ich denke es ist wichtiger, die bestehenden Strukturen zu nutzen«, sagt dazu Scholz. »Mit dem Kölner Mieterverein gibt es ohnehin kompetente Ansprechpartner, die viel spezifischer beraten können als wir.«

Die Information, so hat es den Anschein, müssen die Initiativen leisten. So hatte die Stadt im Severinsviertel zwar Flugblätter verteilen lassen, aber die erreichten längst nicht alle betroffenen Haushalte — weil sie offensichtlich nur in die Briefkästen gesteckt wurden, die sich außen am Haus befanden. Offenbar können die Häuser in den von Verdrängung betroffenen Veedeln durchaus Sanierungen gebrauchen: Briefkästen, die von außen zugänglich sind, damit die Mieter die Flugzettel der Stadt auch bekommen.

»Verdrängung stoppen!«

Am 17.1., 19 Uhr findet ein Vernetzungstreffen von wohnungspolitischen Initiativen für alle Interessierten statt, aufgrund der Corona-Pandemie nur online. Anmeldung über milieuschutzseverinsviertel@gmail.com