»Manifest des Stillstands«: Großmarkt-Gelände in Bayenthal

Aufbruch verschoben

Endlich beginnt der Bau der Parkstadt-Süd. Doch noch immer ist unklar, wo der Großmarkt hin soll

Die Zeiten, als die Menschen aus den Szene-Kneipen der Südstadt frühmorgens auf den Großmarkt strömten, um dort die Nacht in der Betriebsamkeit mit einem Teller heißer Suppe ausklingen zu lassen, sind lange vorbei. Die raue Atmosphäre, die einfache und oft harte Arbeit auf dem Großmarkt wird nicht mehr verklärt. In der Südstadt sucht man inzwischen händeringend bezahlbare Wohnungen, und den Wenigsten wird die authentische Großkantinenküche fehlen, wenn die denkmalgeschützte Markthalle zum Mittelpunkt eines neuen Quartiers geworden ist.

Um 115 Hektar soll hier die Innenstadt erweitert, Wohnraum für 10.000 Menschen und Büros an­­stelle des heutigen Großmarktes und der angrenzenden Gewerbegebiete geschaffen werden. Weil die meisten Grundstücke in städtischem Besitz sind, so die Hoffnung, ist der Druck geringer, hochpreisig zu bauen. Ein Plan ist seit Jahren fertig. Er zeigt in groben Zügen, wo künftig Häuserblocks stehen, wo Straßen, Plätze und Grünschneisen verlaufen werden. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GAG beginnt in Kürze, den ersten dieser neuen Blocks samt markantem Hochhaus zu errichten. Am Rand des Quartiers soll der Innere Grüngürtel bis an den Rhein verlängert werden. Und wäre endlich klar, wann und wohin der Großmarkt im dafür angepeilten Jahr 2025 verlegt wird, könnte tatsächlich so etwas wie Aufbruch in der Luft liegen.

Danach sah es in der Dezember-Sitzung des Rates aber ganz und gar nicht aus. SPD-Fraktionschef Christian Joisten sprach von einem »Manifest des Stillstands«, das derzeit im Rathaus »angerührt« werde. Volker Görzel (FDP) berichtet, ihm sei das »Frühstücks-Müsli aus dem Mund getropft«, als er vom neuesten Vorschlag erfuhr. Und Jörg Detjen (Linke) warf dem Ratsbündnis von Grünen, CDU und Volt vor, ein »Fass aufzumachen« und die Planungen neu aufrollen zu wollen.

Bislang sollte die Verwaltung einen neuen Standort in Marsdorf prüfen. Kompakter, moderner: Der Großmarkt sollte sich zum »Frischezentrum« mausern. In regelmäßigen Abstimmungsrunden wurden Händler und Politiker einbezogen. Unbeantwortet blieben aber grundlegende Fragen wie die nach dem künftigen Betreiber: Investor? Oder Genossenschaft der Händler? Die Anwohner im benachbarten Weiden protestieren derweil, aus Sorge vor dem zu erwartenden Lieferverkehr zum Marsdorfer Frischezentrum.

Für weiteren Ärger sorgte nun der kurzfristig eingereichte Vorschlag, in Marsdorf ein Leistungszentrum für den 1. FC Köln unterzubringen, auf Kosten der als »großmarktaffin« klassifizierten Betriebe. Doch statt zwei Probleme auf einmal zu lösen, stieß der Vorschlag auf breite Ablehnung. Der Zeitplan für den Umzug des Großmarktes und damit für die Parkstadt-Süd sei in Gefahr, so SPD, Linke und FDP.

Eigentlich gibt es einen Ratsbeschluss, an dem der FC gerne festhalten würde. Er ermöglicht neue Trainingsplätze auf der Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel. Doch das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt hatte sich nach der Kommunalwahl auf ein Moratorium geeinigt. Naturschützer klagen vor Gericht gegen den Eingriff in den Grüngürtel.

Der 1. FC Köln hat zwar bereits zu verstehen gegeben, dass Marsdorf als Alternative nicht infrage komme. Dennoch beauftragten Grüne und CDU mit ihren Stimmen die Stadtverwaltung, den Standort zu prüfen. Man wolle dem FC »Alternativen offen halten«, so Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin, auch falls ein Gericht den bestehenden Beschluss kippen sollte. CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau wollte »dafür werben, diese Tür zu öffnen«, um das Risiko einer langwierigen Auseinandersetzung vor Gericht zu verringern. Neben den Ratskollegen dürfte sich auch der FC angesprochen gefühlt haben. FDP und Linke warfen Grünen und CDU vor, in erster Linie ihre Hochburgen im Kölner Westen zufriedenstellen zu wollen.

Während die Verantwortlichen des FC damit drohen, Teile des Vereinsgeschehens hinter die Stadtgrenzen zu verlagern, fehlt den Händlern auf dem Großmarkt ein Druckmittel. Sie sollen sich statt mit 23 nun mit 10 Hektar zufriedengeben – Christiane Martin nennt die ursprünglichen Pläne »überdimensioniert«. Grüne und CDU beteuern aber, dass ein Großmarkt auch in Zukunft nötig sei, für die Versorgung von Gastronomen, Wochenmärkten und kleinen Läden mit regionalen Produkten, frischem und Feinkost.

Michael Rieke, Sprecher der Unternehmen auf dem Großmarkt, fürchtet, die Händler könnten auf der Strecke bleiben: »Wir werden zerfetzt.« In den vergangenen ­Jahren haben sie sich Gedanken gemacht. Touristenattraktion im neuen Quartier? Oder Teil einer nachhaltigen Ernährungsstrategie für die Stadt, vernetzt mit Schulen, Kitas und Kantinen? Das wäre ein weiter Weg, wenn man sich den Großmarkt heute anschaut. Doch die Pachtverträge werden angesichts des näher rückenden Um­­zugstermins nur noch kurzfristig verlängert. Statt Aufbruchsstimmung macht sich Resignation auf dem Großmarkt breit.