Warten auf den Sommer reicht nicht mehr: Club-Impressionen 2022, Foto: Jascha Müller-Guthof

Zu früh gefreut

Gerade mal zwei Monate durften die Clubs wieder öffnen. Jetzt droht ein neuer Lockdown, die Betreiber fürchten einen zweiten Horrorwinter ohne Ende

Erst war die Freude riesengroß, als im August ein Berliner Verwaltungsgericht das generelle Verbot von Tanzveranstaltungen gekippt hatte. Im Nu folgten bundesweit neue Regularien, und spätestens am ersten Oktoberwochenende tummelten sich Clubgängern wieder überall. Nun aber sieht es finster aus für die Branche, die bereits 18 Monate mit Schließungen zu kämpfen hat. In NRW haben Clubs und Diskotheken geschlossen zu bleiben, in Berlin gilt ein allgemeines »Tanzverbot«. Zwar sichern die laufenden Wirtschaftshilfen nun endlich die Weiterexistenz der Clubs, aber mental sehen sich viele enttäuschte Veranstalter kurz vor dem Aus. Dem will die Berliner Clubcommission zuvorkommen. Mit einem ansteckungssicheren 2G+PCR-Programm wollen sie an die neue Regierung herantreten.

Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission, sieht darin eine »Kapitulation« der Politik vor dem Virus. Anstatt an kontrollierbaren Orten wie Clubs würde sich das Feiern jetzt wieder in den Untergrund, nämlich auf private und illegale Partys verschieben — wo erfahrungsgemäß kaum Impfzertifikate und Testnachweise überprüft würden.

Dabei hätte die Politik der aktuellen Entwicklung schon lange entgegen steuern können. Bereits im Frühjahr wusste man von der baldigen Auffrischungsbedürftigkeit der eingesetzten Impfstoffe. Gerade bei Biontech ist bereits nach etwa vier Monaten ein nur noch 20%-iger Schutz anzunehmen. Unglücklicherweise war genau das der Zeitpunkt, als die Clubs unter 2/3G-Regeln wieder geöffnet wurden. Gerade die Clubgänger ließen sich nämlich zu ­großen Teilen im Zeitraum von April bis Mai 2021 impfen, kamen also mangelhaft geschützt zurück ins Nachtleben; und nahmen an, bei einem als 2G ausgewiesenen Event sicher zu sein.

Allein am ersten Öffnungswochenende des Berghains wurden unter dessen Besuchern über 200 Neuinfektionen gezählt — und das, obwohl alle Besucher entweder geimpft oder genesen waren. Dem hätte die Politik durch Maßregeln zu PCR-Tests vorgreifen können. Stattdessen aber führten Wahlkampf und die anschließenden zähen Koalitionsverhandlungen dazu, dem Anstieg der vierten Welle tatenlos zuzusehen. Jetzt will die Politik nach ihrem Versäumen der letzten Monate unbedingt Handlungsfähigkeit beweisen; daher die aktuellen, drastischen Lockdownmaßnahmen.

In Kreisen von Clubbetreibern fürchtet man nun einen weiteren Winter-Lockdown bis weit ins nächste Jahr. Dem will die Clubcommission nun aber entschlossen entgegen steuern. Sie fordert eine möglichst baldige Wiedereröffnung der Clubs unter Anwendung flächendeckender PCR-Tests. Bereits im August hatte das Pilotprojekt Clubculture Reboot in mehreren Spielstätten Test-Raves veranstaltet, bei denen alle Besucher vorher und nachher PCR-getestet wurden. Es wurden keinerlei Neuinfektionen festgestellt. Schon damals sagte die Club­kommission-Vorsitzende Pamela ­Schobeß: »Auch wenn wir uns wünschen, auf diesen Aufwand lieber zu verzichten: Das Projekt bietet eine wirkliche Perspektive für die Eröffnung von Clubinnenräumen, sollten die Inzidenzen und Hospitalisierungen im Herbst stark steigen.«

Das ist nun eingetreten. Deshalb will man mit einem entsprechenden Konzept an die neue Gesundheitssenatorin von Berlin, Ulrike Gote (Grüne), herantreten. Die notwendigen Kapazitäten für derart viele PCR-Tests seien bereits vorhanden. Auch die Auswertung in wenigen Stunden sei bei einem Endkundenpreis von nur 15 Euro möglich. Damit könnte eine, sagen wir: am Clubbesuch interessierte Person sich beispielsweise bis Freitagmittag zum Abstrich melden, bekäme abends ihr Ergebnis, und könnte anschließend das gesamte Wochenende lang — 48 Stunden — ohne große Ansteckungs­gefahr ausgehen.

Manche Clubbetreiber sind weiterhin skeptisch. Diese hohen Anforderungen würden eine Vielzahl an Gästen fernhalten. Wenn man jetzt einen so hohen Standard wie 2G+PCR etablierte, stellte das vielleicht eine kurzfristige Lösung dar, aber auf lange Sicht wäre die Wirtschaftlichkeit der Clubs bedroht. Auch die kürzlich erlassene Regel zu 50-prozentigen Kapazitäten müsste umbedingt wieder ge­kippt werden, um überhaupt ein lukratives Geschäft zu ermöglichen.

Zunächst aber bleibt eine Entscheidung des neu gewählten Senats abzuwarten. Jedenfalls beim Berliner Gesundheitsamt findet das Konzept schon mal Zuspruch: dass sich mit vollumfänglicher PCR-Testung ein tatsächlich vor Ansteckungen gesicherter Raum erschaffen ließe, das sei sachlich nicht zu entkräften.