Sakki und Oi: Kapitalismuskritik von Thomas Brasch, Foto: Thilo Beu

Spiel der Identitäten

Ein Leben ohne Mercedes ist möglich, aber sinnlos: Das Theater Bonn zeigt Thomas Brasch

Fast postapokalyptisch mutet die Szenerie an. Eigentlich sind sich die beiden nicht sympathisch. Wo sie sich zwischen zwei Stehleuchten in Szene setzen, in einer Schneelandschaft weißer Plastikplanen, muss es einmal eine Straße gegeben haben — und einen Mercedes. Jedenfalls sehen sie das so, und es ist auch egal: Es ist sowieso alles vorbei. Alles dreht sich um Vergangenes, Gegenwart ist nicht viel, und eine Perspektive für die Zukunft kommt nicht zustande.

Der junge Sakko (Christian Czeremnych) ist arbeitslos. Lange hat er Limousinen mit Sonderausstattung überführt. Da sind schöne ­Erinnerungen wie die an die Anhalterin, die er ans Mittelmeer mitgenommen hat. Dann 7000 Mark Abfindung, seitdem streift er mit angeknackstem Ego herum. Und trifft Oi (Sandrine Zenner) — so nennt sie sich im Moment. Auch sie lebt irgendwo da draußen, hat es sich mit der Gesellschaft verscherzt und keine Lust mehr auf die Regeln. Nun ist es so und es geht ihr ganz gut damit.

Arbeit ist Identität — das stellten viele fest, als die Arbeitslosigkeit in den frühen 80er Jahren neue Dimensionen annahm. Der Mercedes war ein Symbol des Wirtschafts­wunders. Sakko möchte in diesem Stück, das Thomas Brasch  1983 schrieb, natürlich einen haben, um wieder wer zu sein. Am liebsten mit Sonderausstattung. Aber irgendwo sind die Identität spendenden Statussymbole auch hohl. Deutsche Firmen haben natürlich im Krieg allerlei Dinge fabriziert. Ois Kratzerei am Image von Mercedes hilft Sakko nicht gerade in seinem Bedürfnis nach Halt. Also zum Bund.

Ziemlich lächerlich kommen Oi solche Standardlösungen vor. Warum dieser Identifikationsdruck, der alles kaputt macht? Identitäten machen leicht inkompatibel. Sie selbst geht spielerisch mit der Offenheit um, die sich ihr als Aussteigerin bietet, und versucht ihn mitzureißen. Doch in den mit Regeln behafteten Rollen, in denen sie spielerisch aufblühen, bestehen sie nicht lange. Sie ­können einander nicht für voll nehmen.

Regiedebütantin Julie Grothgars cleveres, minimalistisches Pas de deux der Rausgeworfenen schrammt immer knapp an der Komödie vorbei und gibt den Schauspielern viel Präsentationsraum. Die psychologische Kapitalismuskritik von Thomas Brasch kehrt in einer Zeit zurück, in der es erneut um Identität geht. Aber was für Sakko — bei der Uraufführung von Christoph Waltz gespielt — der Mercedes ist, mag für viele schon das iPhone sein.