Die Parallelität von Zeit und Raum: Paradeiser Productions in Ehrenfeld, Foto: Hans Diernberger

The Soul of the Zeit

Paradeiser Productions stiftet mit ihrem Videowalk durch Ehrenfeld fröhliche Verwirrung

Ein bisschen seltsam fühlt es sich in den ersten Minuten schon an: Da steht man mitten auf der verkehrsberuhigten Spielstraße, das Smartphone vor sich wie ein Bildschirm in der Hand, mit Kopfhörern in den Ohren — wie aus der Zeit gefallen im geschäftigen Montagmorgentrubel um einen herum. Paradeiser Productions, das Kölner Label für Neues Musiktheater, hat ein Videowalk-Filmchen gedreht, an einem Tag, an dem die Bäume noch grün waren und das Tageslicht warm und hell. Los geht es an einer Straßenecke in Ehrenfeld, dreißig ­Minuten dauert die digitale Performance. Auf dem Smartphone locken die Protagonist*innen in türkis- und lilafarbenen Skianzügen (Philip Gregor Grüneberg und Lena Visser) ihnen zu folgen, also auf ihren Spuren die Gumprechtstraße entlang zu spazieren.

Gesprochen wird dabei kein einziges Wort, allein die Musik, komponiert vom Klangkünstler Kai Niggemann, begleitet den Weg: Der Arm einer japanische Winkekatze, die tatsächlich auch heute hinter einem Fenster steht, klingt als würde er gegen die Scheibe klopfen, die Flötistin Conni Trieder bläst auf der Querflöte eine Melodie und einmal tritt man, zumindest digital, sogar in das Atelier Gumprecht ein, wo Kai Niggemann und Conni Trieder »live« an elektronischen Klängen frickeln. Im großen Schaufenster des Ateliers leuchtet der Schriftzug »TIME«. Und spätestens da bemerkt man: Irgendetwas läuft in diesem Film gewaltig schief. Die vorüber gehenden Passant*innen laufen rückwärts, die Protago­nist*innen aber nicht, obgleich ihre Bewegungen, ihre Gesten und ihre Mimik etwas steif, fast surreal wirken. Und auch die Sahnetorte, die eben noch auf dem Asphalt lag, fällt zurück auf den Teller, Seifenblasen verschwinden wieder im Blasring, die Luftballons fliegen vom Himmel zurück in die Hand. Was ist da ­passiert?

»Dem liegt ein Trick zugrunde, den wir lieber nicht verraten«, sagt Sandra Reitmayer lachend. Zusammen mit den Medien­künst­­ler*­in­nen Ruth Schultz und Hans Diernberger hat sie die Videowalk-Opera entwickelt. Um Zeit geht es dabei und um die Parallelität des Raumes, der entsteht, wenn man sich an exakt denselben Orten aufhält, wo sich ein paar Monate zuvor die Szenen des Films abgespielt haben. Die Wirkung ist erstaunlich, denn spätestens mit der zweiten Hälfte des Films wirkt die Realität, also das was gerade in Echtzeit um ein herum passiert, selbst fragwürdig: Ist die Frau, die gerade jetzt dort an einem Baum lehnt, womöglich Teil des Spiels? Der Videowalk hat damit wohl sein Ziel erreicht: Fröhliche Verwirrung und lichte Momente im Corona-Winter.

Videodownload unter paradeiserproductions.com