Das war 2021!

Nicht alles drehte sich in der Kölner Politik dieses Jahr um die Corona-­Pandemie. Rückblick auf ein Jahr mit Klima-Kontroversen, Kultur-Protesten und neuem Klüngel

 

8. März: Kooperation von Grünen, CDU und Volt im Stadtrat

Im Herbst 2020 feierten die Grünen einen historischen Sieg bei der Kommunalwahl und wurden stärkste Kraft im Kölner Rat. Viele neue Ratsmitglieder bilden die Fraktion, nun sucht man einen Kooperationspartner. Nach langen Verhandlungen einigt man sich schließlich auf die Kölner CDU, die ihrerseits ein historisches Wahldebakel erlebte. Dritter im Bunde ist Neuling Volt, mit dem eine Mehrheit gesichert wird. Der Kooperationsvertrag, der Anfang März unterschrieben wird, ist fast doppelt so lang wie der vorherige zwischen CDU und Grünen, oft ein Zeichen dafür, dass mehr Wahlkampf-Floskeln und Absichtsbekundungen enthalten sind als klare Maßnahmen, um Ziele zu erreichen. Die Zustimmung an der Basis der Grünen fällt schwach aus, 14 Prozent stimmen auf einem Parteitag dagegen. Das Verhandlungsergebnis sei zu schlecht, heißt es. Tatsächlich erhält die CDU in der Stadtverwaltung ebenso viele Posten an den Spitzen der Dezernate wie die Grünen. Die sichern sich Klima und Verkehr, doch Köln muss nicht nur die Verkehrswende vollziehen und Klima-Ziele erreichen, sondern auch dringend Schulen und Wohnungen bauen und die soziale Spaltung der Stadt kitten.

Bernd Wilberg

 

17. April: Köln verhängt Ausgangssperre

Als Oberbürgermeisterin Henriette Reker verkündete, dass zwischen 21 und 5 Uhr kein Mensch ohne triftigen Grund mehr in die Stadt unterwegs sein darf, rollte die dritte Welle der Corona-Pandemie gerade auf ihren Höhepunkt zu, den sie in Köln Ende April mit einer Inzidenz von 250 erreichte. Da hatten die Kölnerinnen und Kölner bereits Monate des Shutdowns hinter sich: Viele Schulkinder hatten ihren Klassenraum seit Mitte Dezember nur für wenige Stunden gesehen, Geschäfte und Gastronomie waren geschlossen, nur Personen aus zwei Haushalten durften sich treffen. Karneval war ausgefallen — selbst gegen das Alkoholverbot an den Karnevalstagen gab es kaum Verstöße. Zunächst langsam ging es mit Impfungen und Tests voran: Am 8. Februar nahm das Impfzentrum den Betrieb auf, einen Monat später startete die Stadt Köln mit der Uniklinik an 22 Schulen und 32 Kitas die PCR-Lollitests als Pilotprojekt. Heute sind sie NRW-weit an Grundschulen Standard. Am 4. Mai starteten in Chorweiler die Schwerpunkt-Impfungen in den Stadtteilen. Doch es dauerte lange, bis die dritte Welle brach. Erst Ende Mai ging es in NRW mit dem Präsenzunterricht wieder los, am 9. Juni, erreichte Köln mit einer Inzidenz von 18,3 seinen Jahrestiefstwert. Am 28. September schloss das Impfzentrum — obwohl sich die vierte Welle bereits abzeichnete.

Anne Meyer


28. April: Klima-Kompromiss

Anfang 2020 war »Klimawende Köln« mit dem Ziel angetreten, dass der städtische Energieversorger Rheinenergie bis 2030 nur noch Strom aus Erneuerbaren Energien anbietet. Die Initiative startet ein Bürgerbegehren, damit sich der Stadtrat mit der Forderung befasst. Gut ein Jahr später, Ende April, hat man die erforderlichen 24.625 Unterschriften fast beisammen — reicht aber keine weiteren Unterschriften mehr ein. Denn längst befindet sich Klimawende in einem Mediationsverfahren mit Rheinenergie, Stadtverwaltung und Politik. Die Grünen hatten vermittelt. Die Ergebnisse liegen im Juli vor: Man will nicht nur die Strom-, sondern auch die Wärmeversorgung dekarbonisieren. Allerdings erst bis 2035. Im Gegenzug rückt die Initiative zunächst vom Bürgerbegehren ab. Die Klimawende zeigt sich zufrieden, weil man die Rheinenergie zu einem großen Schritt in Richtung Energiewende gedrängt habe. Frühere Mitstreiter und einige Umweltgruppen sind nicht einverstanden. Die Ergebnisse seien weder ausreichend noch verbindlich. Mitte Dezember stimmt der Stadtrat voraussichtlich der Verwaltungsvorlage zu, die aus dem Mediationsverfahren hervorgegangen ist.

Jan Lüke

 

14. Juli: Flut-Drama im Kölner Umland

Das Tief Bernd brachte der Region Mitte Juli tagelangen, heftigen Regen: In Stammheim waren es binnen 24 Stunden 154 Liter pro Quadratmeter, eine noch nie zuvor gemessene Regenmenge. Während der Rhein nur mäßiges Hochwasser führte, schwollen seine sonst kleinen Nebenflüsse und -bäche zu reißenden Strömen an. Erft, Swist, Kyll, Agger traten über die Ufer und richteten enorme Schäden an. In Erftstadt-Blessem weitete sich eine überflutete Kiesgrube zu einem gigantischen Krater aus, der Teile des Dorfs verschluckte. Die Grube war im Überschwemmungsgebiet errichtet worden. In ganz NRW starben 49 Menschen durch die Fluten; im Ahrtal in Rheinland-Pfalz starben 134 Menschen. Seither stehen lokale Behörden und Kommunen in der Kritik, weil sie die Bevölkerung nicht ausreichend gewarnt hatten; auch die Arbeit der Landesbehörden wird derzeit von Untersuchungsausschüssen in den beiden Landtagen geprüft. Für den Wiederaufbau stehen Milliardenhilfen bereit. Wegen Personalmangels in den Behörden konnte bisher jedoch nur ein kleiner Teil der Anträge bearbeitet werden. Die meisten Flutopfer müssen weiter auf Geld für den Wiederaufbau warten.

Anne Meyer


24. Juli: Niklas Kienitz stolpert über den Dezernate-Deal

Der grüne Sieg bei der Kommunalwahl 2020 hatte Folgen für die Stadtverwaltung. Weil die Grünen unbedingt das neue Klima- und das Verkehrsressort besetzen wollten, durfte sich auch der Bündnispartner CDU ein neues Dezernat wünschen: nämlich das für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Digitalisierung. Für dessen Führung hatte die CDU auch gleich einen Kandidaten in petto: ihren Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz, einen gelernten Immobilienökonomen, der als einer der wenigen CDU-Politiker gilt, zu denen Grüne und Volt einen Draht finden. Kurz vor der Dezernentenwahl im Sommer sickerte durch, dass Kienitz 2018 seine Unterschrift unter den Stadtwerke-Deal gesetzt hatte, bei dem SPD-Politiker Martin Börschel ein hochbezahlter Posten ohne Ausschreibung zugeschustert werden sollte. Kienitz stand massiv in der Kritik, wurde aber trotzdem gewählt. Am 24. Juli, noch vor Amtsantritt, kam es zum Eklat: Kienitz zog zurück — wohl, um einer Absage durch die Bezirksregierung Köln zuvorzukommen. Die Aufsichtsbehörde sprach Kienitz die erforderliche Qualifikation und Führungserfahrung ab. Im September folgte Rüffel Nummer zwei der Bezirksregierung: Die Verfahren, mit denen die Stadt bislang ihre Spitzenposten besetzt hat, seien insgesamt rechtswidrig — etwa, dass stets nur ein Teil der im Rat vertretenen Fraktionen in die Findungskommission einbezogen wurde.

Anne Meyer

 

27. Juli 2021: Explosion in Leverkusen

Die Rauchsäule über Leverkusen steht stundenlang am Himmel, giftige Rußpartikel regnen nieder. Am Morgen des 27. Juli ist es im Chempark Leverkusen zu einer Explosion gekommen. Sieben Menschen sterben, knapp dreißig werden zum Teil schwer verletzt. Die Aufklärung, wie es zum Unglück in der Sondermüllverbrennungsanlage kam, gestaltet sich schwierig, auch weil der Betreiber Currenta Informationen nicht sofort öffentlich macht, was auch die Behörden kritisieren. 2019 hatte der Bayer-Konzern Currenta an einen australischen Finanz-Investor verkauft, Kritik wird laut, dass damit auch die Sicherheitsstandards gesunken seien. Umweltverbände und die Klimaliste im Leverkusener Stadtrat kritisieren, dass SPD, CDU und Grüne eine »unkritische industriefreundliche Politik« betreiben würden. Allerdings lag auch die letzte unangekündigte Kontrolle der zuständigen Bezirksregierung mehr als drei Jahre zurück. Derzeit laufen die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen. Dass ein überhitzter Tank Auslöser der Explosion war, gilt mittlerweile als gesichert. Ob die Anlage jemals wieder in Betrieb geht, ist nicht klar. Nach den heutigen gesetzlichen Regelungen hätte die Anlage nicht so nah an der angrenzenden Wohnbebauung errichtet werden dürfen.

Bernd Wilberg

 

23. August: Otto-und-Langen-Quartier

Im Stadtrat beschließen Grüne, CDU und Volt, die ehemalige KHD-Hauptverwaltung im Otto-und-Langen-Quartier in Mülheim zu kaufen, ein besonderes Vorkaufsrecht macht es möglich. Eine lange Debatte um die städtische Kultur- und Liegenschaftspolitik war dem vorausgegangen — und hält weiter an. Am 29. April war das »Deutzer Zentralwerk der schönen Künste« der Künstlergruppe Raum 13 geräumt worden. Seit zehn Jahren war die Initiative in dem denkmalgeschützten Gebäude ansässig. Der Stadt aber war es nicht gelungen, das Gebäude vom Eigentümer zu kaufen, obwohl es einen einstimmigen Ratsbeschluss gab, auf dem insgesamt sechs Hektar großen Areal einen »gemeinwohlorientierten Nutzungsmix aus Wohnen, sozialen, kulturellen und gewerblichen Nutzungen« zu schaffen. Das Land NRW, dem ein Teil des Geländes gehört, will dieses aber nur an die Stadt  verkaufen, wenn diese das Grundstück für »kommunale Zwecke« nutzt, das würde unter anderem bedeuten, dass mehr als die bislang vorgesehenen 30 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden. Aber ein Konzept dafür liegt nicht vor.

Kermit Wiekstätt-Neusing

 

24. September: Papst verordnet Woelki Auszeit

Schon Anfang Juni hatte Papst Franziskus zwei »Apostolische Visitatoren« nach Köln geschickt. Die beiden Prüfer sollten im krisengeschüttelten Erzbistum nach dem Rechten sehen — ein außergewöhnliches Vorgehen bei einem derart reichen und mächtigen Bistum wie Köln, und ein Misstrauensvotum gegen Erzbischof Rainer Maria Woelki. Doch dieser Schritt war unausweichlich nach all den Querelen um ein zurückgehaltenes Gutachten, das Fehler von Geistlichen im Umgang mit sexuellem Missbrauch untersucht hatte. Zwar hatte Woelki ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben, das auch im März veröffentlicht wurde und einigen hochstehenden Geistlichen Fehler attestierte, Woelki selbst aber entlastete. Doch das Vertrauen ist zerstört. Die Zahl der Kirchenaustritte bleibt auf Rekordniveau, das bistumseigene Reformprojekt »Pastoraler Zukunftsweg« liegt auf Eis, selbst führende Geistliche kritisieren den Kardinal öffentlich. Ende September ordnete der Papst schließlich an, dass Woelki eine rund fünfmonatige Auszeit nehmen müsse. Kaum jemand im Bistum glaubt allerdings, dass dies beim Kölner Erzbischof zu einem grundsätzlichen Umdenken führen und er sich etwa aufgeschlossener gegenüber Reformen zeigen wird.

Anne Meyer

5. November: Prozessbeginn im Fall Karl-Josef Bähner

Kurz vor Jahreswechsel 2019/2020 schießt der damalige Kölner CDU-Lokalpolitiker Karl-Josef Bähner auf einen jungen Mann — angeblich, nachdem Bähner ihn rassistisch beleidigt hat. Zehn Tage später ist der Fall durch Social Media Gesprächsstoff in ganz Deutschland. Rund zwei Jahre später sitzt Karl-Josef Bähner im Landgericht Köln auf der Anklagebank. Geschossen habe er aus Notwehr, behauptet er nun, und mit Rassismus habe er nichts zu tun. Das muss er auch sagen, um sein Strafmaß zu drücken. Sein Anwalt und das Gericht steigen darauf ein, die Frage nimmt den Großteil der Beweisführung ein. Aber kann ein Gericht überhaupt entscheiden, ob ein Vorfall rassistisch ist? Oder kann es nur die Intention des Beschuldigten bewerten? Die Fakten des Falls geraten über dieser Debatte in den Hintergrund: Der erfahrene Sportschütze Bähner hat mit einer nicht zugelassenen Waffe auf einen Menschen geschossen, und bislang konnte kein Zeuge die Notwehr-These bestätigen. Mit einem Urteil wird für Januar 2022 gerechnet.

Christian Werthschulte

 

11. November: Mit Alaaf in die 4. Welle

Bilder vom Kölner Karneval gehen um die Welt. Mitten in der sich aufbäumenden vierten Welle der Corona-Pandemie eröffnet Köln die Session. Ein neuerliches Karnevals-Verbot »hätten sich die Menschen nicht gefallen lassen«, erklärt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Zwar schwenkt der Corona-Krisenstab der Stadt drei Tage vor dem Elften im Elften von einer 3G- auf eine 2G-Regelung für offizielle Veranstaltungen um, etliche Gastronomen schließen sogar freiwillig. Doch vor allem die Bilder von Menschen, die ohne Abstand und ohne Masken im Kwatier Latäng feiern, sorgen für Unmut. Der Prinz des Kölner Dreigestirn startet vom Sofa in die Session: Sven Oleff ist positiv auf Corona getestet worden. Später berichtet das WDR-Magazin »Westpol« von unzureichenden Kontrollen der 2G-Nachweise. NRWs neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), dessen Regierung den Karneval unter verschärfter 2G-Regel gebilligt hatte, kritisiert daraufhin die Kontrollen der Stadt. Zwei Wochen nach dem turbulenten Sessionsbeginn teilt die Verwaltung mit, der 11.11. »hat das Infektionsgeschehen nicht signifikant beeinflusst«. Anfang Dezember lassen sich mehrere hundert Infektionen auf den 11.11. zurückführen — laut Stadt allerdings nicht auf Straßenkarneval, sondern auf private Feiern in Innenräumen.

Jan Lüke